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Mit der 11. Novelle des GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) ist in Deutschland eine weitere umfassende Reform des nationalen Wettbewerbsrechts in Kraft getreten.
Die Novelle, auch bekannt als Wettbewerbsstärkungsgesetz, soll den Wettbewerb weiter stärken und das deutsche Kartellrecht modernisieren. Zu den wichtigsten Reformen gehören neue Befugnisse, die es dem Bundeskartellamt ermöglichen, in hoch konzentrierte Märkte einzugreifen. Darüber hinaus gibt es neue Ermächtigungen zur Untersuchung von Verstößen gegen das Gesetz über digitale Märkte, sowie Änderungen bei der Sanktionierung von Verstößen, namentlich der Vorteilsabschöpfung, und der Fusionskontrolle.
Die bedeutendste Neuerung ist, dass die Novelle dem Bundeskartellamt neue Rechte gibt, um in Märkte einzugreifen, in denen der Wettbewerb “erheblich gestört“ ist. Die im Gesetz verwendete Definition der Störung knüpft im Wesentlichen an eine hohe Marktkonzentration an. Die relevante Schwelle der Erheblichkeit liegt relativ niedrig und ist schon überschritten, wenn die Störung "nicht nur geringfügig negative Effekte auf den Wettbewerb" hat. Das Bundeskartellamt kann in solchen Märkten sogenannte Abhilfemaßnahmen anordnen, die folgendes zu Gegenstand haben können:
• Die Gewährung des Zugangs zu Daten, Schnittstellen, Netzen oder sonstigen Einrichtungen,
• Vorgaben zu den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen auf den untersuchten Märkten und auf verschiedenen Marktstufen,
• Verpflichtung zur Etablierung transparenter, diskriminierungsfreier und offener Normen und Standards durch Unternehmen,
• Vorgaben zu bestimmten Vertragsformen oder Vertragsgestaltungen einschließlich vertraglicher Regelungen zur Informationsoffenlegung,
• das Verbot der einseitigen Offenlegung von Informationen, die ein Parallelverhalten von Unternehmen begünstigen und
• die buchhalterische oder organisatorische Trennung von Unternehmens- oder Geschäftsbereichen.
Das ist eine grundlegende Änderung des deutschen Wettbewerbsrechts. „Bisher waren Abhilfemaßnahmen wie zum Beispiel. die Pflicht zur Aufnahme von Geschäftsbeziehungen nur möglich, wenn dem Unternehmen der Missbrauch einer Marktbeherrschung nachweisen werden konnte.“, so Dr. Michael Reich, Kartellrechtspartner bei Pinsent Masons. Das Ganze wird ihm zufolge erhebliche Auswirkungen haben. „Der Referentenentwurf sprach von zwei Verfahren pro Jahr und die Untersuchungen werden bei den betroffenen Unternehmen sehr hohen Aufwand auslösen,“ ergänzte er.
Zudem gehen mit der 11. GWB-Novelle auch kleinere Änderungen im Bereich der Fusionskontrolle einher: Wie bereits seit einigen Jahren kann das Bundeskartellamt Unternehmen im Anschluss an eine Sektoruntersuchung verpflichten, Zusammenschlüsse in den betroffenen Wirtschaftszweigen anzumelden – und zwar unabhängig vom Erreichen der sonst üblichen Aufgreifschwellen des § 35 GWB.
Neu ist, dass die Umsatzschwellen, ab der diese besondere Anmeldepflicht eingreift, drastisch abgesenkt wurden. Es ist nun ausreichend, dass der Erwerber in Deutschland Umsätze von mehr als 50 Mio. EUR erzielt und das Target in Deutschland Umsätze von mehr als 1 Mio. EUR. „Auch wenn diese ‚Sonderfusionskontrolle‘ für das Gros der M&A-Transaktionen keine Relevanz hat, können die Neuerungen für Betroffene dazu führen, dass sie annähernd jede Transaktion anmelden müssen – was wiederum Verzögerungen im Transaktionsprozess und ein Eingreifen des Amtes zur Folge haben kann. Gerade für strategische Investoren kann dies ein Nachteil sein, den man bei der Transaktionsplanung im Blick behalten muss – insbesondere in Bieterverfahren“, so Arkadius M. Strohoff, Spezialist für Kartell- und Fusionskontrollverfahren bei Pinsent Masons.
Die erst zuletzt geänderten Anmeldeschwellen für normale Transaktionen wurden durch die 11. GWB-Novelle nicht angetastet. Hier bliebt alles beim Alten.
Ein weiterer zentraler Aspekt der 11. GWB-Novelle sind die Neuregelungen bei der Vorteilsabschöpfung. Zwar hatten die Kartellbehörden dieses Instrument schon lange in ihrem Werkzeugkoffer, konnten Kartellsündern also auch schon bisher die aus einem Kartellverstoß resultierenden wirtschaftlichen Vorteile wieder entziehen, sie haben von dieser Möglichkeit aber so gut wie nie Gebrauch gemacht. Dies könnte auch daran gelegen haben, dass die Ermittlung des wirtschaftlichen Vorteils in der Praxis einen erheblichen Aufwand erforderte oder gar nicht erst möglich war.
„Durch die neuen Änderungen hat der vormals eher zahnlose Tiger Vorteilsabschöpfung zumindest respektable Fangzähne bekommen“, so Dr. Mathias Greupner, Experte für Kartellrechts-Compliance bei Pinsent Masons.
Denn mit der 11. GWB-Novelle hat nun eine Regelung Einzug gehalten, nach der gesetzlich vermutet wird, dass:
a) ein Verstoß gegen das Kartellrecht grundsätzlich zu einem wirtschaftlichen Vorteil führt und
b) dass dieser wirtschaftliche Vorteil mindestens (!) 1 % der deutschen Umsätze mit den Produkten oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in Zusammenhang stehen, ausmacht.
Die betroffenen Kartellsünder können zwar versuchen, diese Vermutung zu widerlegen. In der Praxis kann sich dies aber zu einer unlösbaren, zumindest aber zu einer aufwendigen und damit sehr teuren Herausforderung entwickeln. Insbesondere kann nach dem Gesetz (§ 34 Abs. 4 S. 6 GWB) ausdrücklich nicht vorgebracht werden, dass überhaupt kein wirtschaftlicher Vorteil oder ein Vorteil in nur geringer Höhe angefallen ist.
Da eine Deckelung erst bei 10 % des Gesamtumsatzes des vorausgegangenen Geschäftsjahres eintritt und die Kartellbehörden zudem Vorteile von bis zu fünf Jahren abschöpfen können, können schnell beachtliche Summen zusammenkommen.
In Fachkreisen wird erwartet, dass die Vorteilsabschöpfung insbesondere im Bereich des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung Bedeutung erlangt. Hier agiert das Bundeskartellamt bisher meist über aufsichtsrechtliche Verfügungen, mit denen der Marktbeherrscher nur zu einer Einstellung des missbräuchlichen Verhaltens aufgefordert wird. „Vor allem Unternehmen mit hohen Marktanteilen sollten daher ihre bestehenden Kartellrechtscompliance-Maßnahmen kritisch überprüfen und erforderlichenfalls nachjustieren. Denn mit der 11. GWB-Novelle könnten sich die finanziellen Risiken eines Marktmachtmissbrauchs deutlich erhöhen.“, so Dr. Mathias Greupner.
Ergänzend zur 11. Novelle hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) eine öffentliche Konsultation zur weiteren Modernisierung des Wettbewerbsrechts initiiert. Ziel ist es, ein umfassendes Meinungsbild zu erhalten, das in die künftige Umsetzung der Wettbewerbspolitik einfließen soll. Es ist also zu erwarten, dass die gesetzgeberische Aktivität im Kartellrecht nach wie vor hoch bleiben wird.
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