Out-Law Analysis Lesedauer: 2 Min.
16 Apr 2021, 11:00 am
Die Bundesregierung will für mehr Betriebsräte in Unternehmen sorgen: Geringere Hürden bei der Betriebsratsgründung und ein ausgeweiteter Kündigungsschutz sollen dazu führen, dass mehr Betriebsräte entstehen.
Das Bundeskabinett hat einen Regierungsentwurf des Betriebsrätemodernisiserungsgesetzes beschlossen. Geht es nach der SPD, soll das neue Gesetz noch vor der Bundestagswahl im September in Kraft treten. Mit ihm sollen die Gründung von Betriebsräten gefördert und die Betriebsratswahlen vereinfacht werden.
Die Gesetzesbegründung verweist darauf, dass immer weniger Beschäftigte durch einen Betriebsrat vertreten werden: 2019 verfügten noch neun Prozent der dafür in Frage kommenden Unternehmen in Westdeutschland über einen Betriebsrat, in Ostdeutschland waren es zehn Prozent. Die Ursachen hierfür seien vielfältig. So sei durchaus denkbar, dass Beschäftigte in kleinen Betrieben bewusst auf einen Betriebsrat verzichten. „Andererseits häufen sich Berichte, dass in manchen Betrieben Arbeitgeber mit zum Teil drastischen Mitteln die Gründung von Betriebsräten verhindern“, heißt es in der Begründung.
Das neue Gesetz soll es den Beschäftigten leichter machen, einen Betriebsrat zu gründen, indem es vor allem die Hürden für das vereinfachte Wahlverfahren senkt. Bisher wird es in Unternehmen mit fünf bis 50 Beschäftigten automatisch angewendet, Betriebe mit 51 bis 100 Angestellten können es ebenfalls anwenden, wenn der Arbeitgeber und der Wahlvorstand dies vereinbaren.
Der Regierungsentwurf will das vereinfachte Verfahren in Zukunft für Betriebe mit bis zu 100 Beschäftigten obligatorisch machen. Unternehmen mit bis zu 200 Arbeitnehmern sollen das Verfahren vereinbaren können. Das vereinfachte Wahlverfahren zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass bestimmte Schritt gleichzeitig in einer statt in mehreren Wahlversammlungen durchgeführt werden, zudem können die im vereinfachten Verfahren kürzeren Fristen die Wahl eines Betriebsrates beschleunigen.
Darüber hinaus will die Regierung die Zahl der erforderlichen Stützunterschriften für Wahlvorschläge reduzieren, was die Gründung eines Betriebsrats zusätzlich erleichtern soll. Konkret hieße das: In Betrieben mit bis zu 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern benötigen Beschäftigte, die für den Betriebsrat kandidieren wollen, hierfür in Zukunft gar keine Stützunterschriften ihrer Kollegen mehr. In Betrieben mit 21 bis 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern sind zwei Stützunterschriften nötig, in Unternehmen mit mehr als 100 Wahlberechtigten braucht es für eine Kandidatur Unterschriften von mindestens einem Zwanzigstel der wahlberechtigten Arbeitnehmer. In jedem Fall genügen 50 Stützunterschriften. Auch soll es durch das Gesetz schwerer werden, Betriebsratswahlen wegen Fehlern in der Wählerliste anzufechten.
Eine weitere bedeutende Änderung ist die Ausweitung des Kündigungsschutzes bei geplanter Betriebsratsgründung: So sollen in Zukunft nicht nur drei, sondern sechs Beschäftigte gegen ordentliche Kündigungen besonders geschützt sein, wenn sie zur Wahl eines Betriebsrates einladen. Der Kündigungsschutz gilt auch im Vorfeld der Einberufung, sofern die Beschäftigten ihre Absicht, einen Betriebsrat zu gründen, in einer notariell beglaubigten Erklärung dokumentieren und entsprechende Vorbereitungen treffen. Der Kündigungsschutz gilt allerdings nicht für außerordentliche Kündigungen und zudem nur, bis das Wahlergebnis verkündet wurde. Kommt es nicht zur Wahl, gilt der Kündigungsschutz für drei Monate.
Auch soll der Betriebsrat ein neues Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung von mobiler Arbeit erhalten, wozu auch Arbeiten aus dem Homeoffice zählt. Somit hätte der Betriebsrat zwar kein Recht mitzubestimmen, ob mobiles Arbeiten eingeführt, aber durchaus in der Frage, in welcher Form dies geschieht. Auch beim Thema Weiterbildung soll der Betriebsrat zusätzliche Rechte erhalten, ebenso bei der Einführung von Künstlicher Intelligenz im Unternehmen.
Ferner sollen Betriebsräte auch über die Corona-Pandemie hinaus vermehrt die Möglichkeit erhalten, ihre Aufgaben auch digital zu erfüllen. So könnten Betriebsräte nach dem neuen Gesetz frei entscheiden, ob sie mit Präsenz oder lieber via Telefon- oder Videokonferenz tagen möchten. Wenn ein Viertel der Betriebsratsmitglieder einer virtuellen Tagung widerspricht, muss jedoch eine Präsenzsitzung stattfinden.
Gewerkschaftsvertreter lobten das geplante Gesetz als Meilenstein, Kritik äußerte hingegen die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA): „Wer in der jetzigen Situation den Unternehmen eine weitere bürokratische Last aufbürdet, der zeigt, dass ihm ein auf die derzeitige wirtschaftliche Lage nicht mehr passender Koalitionsvertrag wichtiger ist, als die Standortfaktoren für eine wirtschaftliche Gesundung dieses Landes. Die tausendfach erfolgreiche Zusammenarbeit der Betriebspartner zur Bewältigung der aktuellen Gesundheitskrise zeigt sehr eindrücklich, dass diese Partnerschaft keiner einseitigen Nachhilfe des Gesetzgebers bedarf.“
Im nächsten Schritt werden Bundestag und Bundesrat über den Gesetzesentwurf beraten.