Out-Law Analysis Lesedauer: 3 Min.

Neuer UWG-Schadensersatzanspruch für Verbraucher birgt Risiken für Unternehmen


Durch eine Neuerung im Lauterkeitsrecht haben Verbraucher künftig einen Anspruch auf Schadensersatz, wenn sie durch unlautere Geschäftspraktiken geschädigt wurden.

Ursprünglich stand nicht der Verbraucher, sondern der faire Wettbewerb unter den Marktteilnehmern im Fokus des deutschen Lauterkeitsrechts. Dies hat sich über die Zeit geändert. Der Verbraucherschutz ist nun schon seit längerem ein anerkanntes Schutzgut. Dies hat sich allerdings bis dato nicht in einem eigenständigen Recht auf Ersatz eines unlauter verursachten Schadens niedergeschlagen. Bislang waren vor allem Mitbewerber, bestimmte Verbraucherschutzverbände wie etwa die Wettbewerbszentrale und andere qualifizierte Einrichtungen klagebefugt. Das ändert sich nun: Im Juni hat der Bundestag das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht beschlossen, am 10. August wurde es verkündet. Mit ihm wird die EU-Verbraucherrechterichtline in deutsches Recht umgesetzt.

Shchavelev Alexander

Dr. Alexander Shchavelev, LL.M.

Rechtsanwalt, Partner

Der neue Schadensersatzanspruch könnte sogar zu Sammelklagen und Massenverfahren führen, sofern eine Vielzahl von Verbrauchern gleichzeitig betroffen ist.

Die neuen Regelungen treten zwar erst am 28. Mai 2022 in Kraft, Unternehmen sollten sich allerdings schon jetzt über die durchaus weitreichenden Auswirkungen klar werden und entsprechende Vorkehrungen treffen, führt das neue Gesetz doch einen Schadensersatzanspruch für Verbraucher in Fällen von unlauterem Wettbewerb ein. Sofern eine Vielzahl von Verbrauchern gleichzeitig durch unlauteren Wettbewerb zum Kauf von Produkten oder Dienstleistungen animiert wird, könnte der neue Schadensersatzanspruch sogar zu Sammelklagen und Massenverfahren führen.

Änderung von Paragraf 9 UWG

Im freien Wettbewerb wird mitunter hart um die Gunst der Kunden gekämpft. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) regelt das Marktverhalten von Unternehmen, Paragraf 9 legt fest, dass Unternehmen, die vorsätzlich oder fahrlässig auf unlautere geschäftliche Handlungen oder unzumutbare Belästigungen zurückgreifen, um ihre Waren und Dienstleistungen zu vermarkten, den Mitbewerbern zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet sind. In Zukunft werden jedoch auch Verbrauchern die Möglichkeit haben, in bestimmten Fällen Schadensersatz aufgrund von Paragraf 9 Absatz 2 UWG geltend zu machen.

Rauer Nils

Dr. Nils Rauer, MJI

Rechtsanwalt, Partner

Für den Durchschnittsverbraucher dürfte es schwierig sein, genau zu unterscheiden, wann er auf Schadensersatz klagen kann und wann nicht. Aber auch die Unternehmen werden etwas brauchen, um klar zu differenzieren.

Nicht jeder Schadenseintritt berechtigt jedoch den Verbraucher zur Schadensersatzklage nach Paragraf 9 Absatz 2 UWG. Nur solche Verstöße sollen erfasst sein, die sich gegen Vorschriften richten, welche die EU-Richtlinie 2005/29/EG umsetzen. Der deutsche Gesetzgeber wählt mithin eine enge, an den unionsrechtlichen Vorgaben orientierte Umsetzung. Dies wird in der Praxis sicherlich bisweilen zu Frustration auf Verbraucherseite führen, da es für den Durchschnittsverbraucher schwierig sein dürfte, genau zu unterscheiden, wann er auf Schadensersatz klagen kann und wann nicht. Aber auch die Unternehmen werden etwas brauchen, um klar zwischen den verschiedenen Konstellationen zu differenzieren. Dies muss letztlich aber im Rahmen einer Risikoabwägung geklärt werden, sodass man sich gewahr ist, von welchen Seiten „Ungemach“ drohen kann.

Insgesamt erhöht sich mit der Neuregelung das Risiko, mit Schadensersatzforderungen konfrontiert zu werden. Dies insbesondere in den Fällen, in denen die Verbraucher sich bislang nur auf vertragliche Ansprüche stützen konnten, etwa weil Ansprüche nach dem klassischen Deliktsrecht ausschieden.

Verbraucher können ihre Schadensersatzansprüche unter anderem auch geltend machen, wenn unionsrechtlich vorgegebene Informationspflichten verletzt wurden. Zu diesen Pflichten zählt beispielsweise, dass ein Unternehmen, das Bewertungen seiner Produkte veröffentlicht, die Kunden in Zukunft darüber aufklären muss, ob und wie es sicherstellt, dass die Bewertungen echt sind.

Vertragsaufhebungen

Aufgrund des weiten Anwendungsbereichs besteht für betroffene Unternehmen das Risiko, dass der Schadensersatzanspruch nach Paragraf 9 Absatz 2 UWG genutzt werden könnte, um Verträge bei vermeintlichen Informationspflichtverletzungen aufzuheben. Die Gesetzesbegründung betont zwar, dass nicht jeder Lauterkeitsverstoß automatisch zu einem Anspruch auf Rückgängigmachung der konkreten geschäftlichen Entscheidung führen soll. Es ist aber zu erwarten, dass sich für Verbraucher die Chancen erhöhen, eine Vertragsaufhebung zu erreichen. Da solche vermeintlichen Informationspflichtverletzungen und andere unlautere geschäftliche Handlungen eine Vielzahl von Vertragsverhältnissen betreffen werden, könnten die Schadensersatzansprüche im Rahmen von Sammelklagen und Massenverfahren geltend gemacht werden.

Klagen aus dem Ausland

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten können zudem statt oder neben Paragraf 9 Absatz 2 UWG die jeweiligen Schadensersatzansprüche nach ausländischem Recht zur Anwendung kommen. Diese können im Einzelnen anders ausgestaltet sein als Paragraf 9 Absatz 2 UWG. Von Deutschland aus tätige Unternehmen sind damit potenziell einer Vielzahl unterschiedlicher Schadensersatzansprüche ausgesetzt. Es besteht ferner das Risiko, dass Klagen gegen in Deutschland ansässige Unternehmen auch bei Anwendung deutschen Rechts nicht notwendigerweise vor die deutschen Gerichte gebracht werden, wenn die betroffenen Verbraucher im europäischen Ausland wohnen und bestimmte Voraussetzungen der Brüssel Ia Verordnung erfüllt sind.

EU-Verbandsklagen

Schäden aus lauterkeitsrechtlichen Verstößen können künftig außerdem zum Gegenstand einer Verbandsklage auf der Grundlage der im Dezember 2020 verabschiedeten EU-Verbandsklagerichtlinie werden. Ihr Anwendungsbereich erfasst auch Verstöße gegen die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken einschließlich ihrer Umsetzung in nationales Recht. Auf diese Möglichkeit des kollektiven Rechtsschutzes wurde auch im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich Bezug genommen.

 

Co-Autorin: Johanna Weißbach

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