Out-Law Guide Lesedauer: 13 Min.
27 Apr 2022, 1:00 pm
Die EU, das Vereinigte Königreich, die USA und andere Länder haben Finanz-, Handels- und sektorenbezogene Sanktionen gegen Russland und russische Personen beschlossen. Aller Voraussicht nach werden weitere Sanktionen folgen.
Neue Sanktionen treten in Kraft und bereits bestehende Sanktionen werden ohne Vorankündigung oder nur mit geringer Vorlaufzeit geändert. Es gibt gewisse Gemeinsamkeiten zwischen den britischen, europäischen und US-amerikanischen Regelungen, sie sind jedoch nicht deckungsgleich, und aufgrund der Komplexität der beschlossenen Sanktionen gegen Russland ist es schwer, einen Überblick zu behalten. Hinzu kommt, dass Aufsichtsbehörden Leitlinien zur Bedeutung und praktischen Anwendung der Sanktionen
Redaktionelle Anmerkung vom 27. April 2022: Dies ist ein allgemeiner Leitfaden, der keine Rechtsberatung darstellt. Stand dieses Leitfadens ist der 25. April 2022. Bitte beachten Sie, dass der Leitfaden zum Zeitpunkt der Lektüre infolge weiterer Sanktionen oder neuer Leitlinien der Aufsichtsbehörden nicht mehr aktuell sein könnte. Bevor Russlandgeschäfte fortgesetzt werden, sollte die aktuelle Rechtslage festgestellt und konkrete Rechtsberatung in Anspruch genommen werden.
Als Ausgangspunkt sollten europäische und britische Unternehmen versuchen, die Sanktionen der EU, des Vereinigten Königreichs, der USA und aller anderen Jurisdiktionen, die bei Verträgen mit Russlandbezug betroffen sind, zu befolgen und sodann prüfen, ob es Ausnahmen oder andere Gründe gibt, infolge derer die jeweiligen Sanktionen nicht für sie oder das vorgesehene Geschäft gelten. Andere Reputations- und Geschäftsrisiken sollten in den Risikobewertungsprozess miteinbezogen werden, wobei insbesondere das Zahlungsrisiko berücksichtigt werden sollte und die Frage, ob Banken, Versicherer und wesentliche Lieferanten des Unternehmens in den jeweiligen Geschäften unterstützen werden.
Wenn ein neues Geschäft als rechtmäßig und durchführbar eingestuft wird, sollten für den Fall, dass weitere Sanktionen verhängt werden oder Banken und Lieferanten ihre Unterstützung zurückziehen sollten, Vertragsklauseln zu Sanktionen, Rechtswahl und Gerichtsstand, Gesetzesänderungen und höhere Gewalt sorgfältig geprüft werden.
Wenn ein Geschäft als rechtswidrig oder zu schwierig durchführbar eingestuft wird, sollten vertragliche Kündigungsbestimmungen berücksichtigt werden.
EU-Sanktionen gelten im Gebiet der Union, für Staatsangehörige von EU-Mitgliedsstaaten, für nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaates gegründete oder eingetragene juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen, an Bord eines Flugzeugs oder eines Schiffes, das der Gerichtsbarkeit eines Mitgliedstaates unterliegt und für jede juristische Person, Organisation und Einrichtung in Bezug auf Geschäfte, die ganz oder teilweise in der Union getätigt werden.
Gemäß des Protokolls zu Irland/Nordirland gelten EU-Sanktionen auch für den Handel mit Waren zwischen Nordirland und Russland.
Britische Sanktionen gelten für britische Staatsbürger und britische Staatsbürger im Ausland, im Vereinigten Königreich gegründete/konstituierte Unternehmen und für jedes Verhalten von Personen, das ganz oder teilweise im Vereinigten Königreich oder in britischen Hoheitsgebieten stattfindet.
US-Sanktionen gelten für US-Staatsangehörige, US-Unternehmen sowie für Geschäfte mit US-Bezug (einschließlich Transaktionen, die in US-Dollar durchgeführt werden). Allerdings können auch Nicht-US-Personen dem Anwendungsbereich von US-Sanktionen unterfallen, wenn die Sanktionen dem Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act (CAATSA) unterliegen.
CAATSA hat ein Rahmenwerk für die Verhängung von Sekundärsanktionen gegen ausländische (Nicht-US-)Personen für die Durchführung verschiedener Geschäfte geschaffen, insbesondere für:
Darüber hinaus wird in Bank- und Versicherungsverträgen in der Regel die Einhaltung von Sanktionsregelungen des Vereinigten Königreichs, der EU, der USA und anderer Länder verlangt.
Im Folgenden finden Sie eine Übersicht über die aktuellen Sanktionen. Um zu vermeiden, dass der Leitfaden zu lang und unübersichtlich wird, sind wir weder auf alle Beschränkungen und Ausnahmen (einschließlich der Fälle, in denen Genehmigungen eingeholt werden können) eingegangen, noch haben wir die durch die Sanktionen erfassten Gegenstände einzeln aufgeführt. Es ist daher wichtig, konkreten anwaltlichen Rat einzuholen, wenn ein Unternehmen zu dem Ergebnis kommt, dass seine Waren, Dienstleistungen, Aktivitäten oder Geschäfte von den Sanktionen erfasst sein könnten.
Zahlreiche russische natürliche und juristische Personen werden durch die Finanzsanktionen erfasst, wodurch Geschäfte mit diesen Personen und Unternehmen eingeschränkt werden. In der EU und im Vereinigten Königreich werden diese Personen als gelistete Personen oder „designated persons“, in den USA als „Specially Designated Nationals“, kurz SDNs, bezeichnet.
Zu den Designated Persons/SDNs gehören:
Die britischen Sanktionen ermächtigen den Secretary of State ab dem 30. März 2022, 17.00 Uhr, dazu, Personen mit einer bestimmten Beschreibung (persons of a specific description) als Designated Persons zu führen, womit die britische Regierung Designated Personen anstatt durch Namensnennung auch durch Beschreibung bestimmen kann.
Das US Office of Foreign Assets Control (OFAC) und das UK Office of Financial Sanctions Implementation (OFSI) bieten nützliche Suchtools für Sanktionslisten an, mit denen Personen identifiziert werden können, die ausdrücklich in Sanktionen gelistet sind.
Nach US-amerikanischem Recht wird ein Unternehmen, das im Besitz (50 Prozent oder mehr) eines SDN (oder SDNs insgesamt) ist, auch als SDN angesehen. Nach EU- und nach britischem Recht ist ein Unternehmen, das im Eigentum oder unter der Kontrolle einer Designated Person steht, ebenfalls von den Sanktionen erfasst. Diese Unternehmen werden häufig nicht auf den Sanktionslisten geführt, obwohl sie dennoch unter die entsprechenden Beschränkungen fallen können. Daher ist es wichtig, dass Unternehmen Geschäftspartner-Prüfungen bei Unternehmen durchführen, bei denen eine russische Verbindung vermutet wird, um sicherzustellen, dass das betroffene Unternehmen nicht im Eigentum oder unter der Kontrolle eines SDN steht.
Die EU, das Vereinigte Königreich und die USA haben weitreichende Verbote für die Einfuhr und Bereitstellung von Waren, Dienstleistungen, Finanzmitteln und Finanzhilfen für die Regionen Krim, Donezk und Luhansk sowie für Personen und Unternehmen aus diesen Regionen verhängt.
Die EU hat alle unmittelbaren und mittelbaren Geschäfte mit bestimmten staatseigenen Unternehmen verboten:
Für vor dem 16. März 2022 abgeschlossene Verträge gelten die Verbote nicht bis zum 15. Mai 2022. Das Verbot gilt weiterhin nicht für Geschäfte im Zusammenhang mit Energieprojekten außerhalb Russlands, bei denen ein unter 2.4(a) genanntes Unternehmen Minderheitsgesellschafter ist, noch für Geschäfte für den Kauf, Import oder Transport von Erdgas und Erdöl, einschließlich raffinierter Erdölprodukte, sowie von Titan, Aluminium, Kupfer, Nickel, Palladium und Eisenerz aus oder durch Russland in die EU, den EWR, die Schweiz oder den Westbalkan. Für Kohle und andere feste fossile Brennstoffe tritt das Verbot im August 2022 in Kraft.
Die aktuellen FAQs der Europäischen Kommission werden regelmäßig aktualisiert und sollten als Leitfaden für die praktischen Umsetzung der Sanktionen herangezogen werden. Da allerdings nicht sämtliche Themen durch die FAQs abgedeckt werden, wird eine konkrete fachliche Beratung empfohlen.
Das Vereinigte Königreich und die USA haben zumindest bisher keine so weitreichenden Beschränkung eingeführt.
Nach EU-Recht ist es verboten, (i) Beteiligungen an russischen und nicht-russischen Unternehmen, die im Energiesektor in Russland tätig sind, zu erwerben, (ii) ihnen neue Darlehen, Kredite oder sonstige Finanzmittel bereitzustellen (einschließlich Eigenkapital) oder (iii) ein Joint Venture mit ihnen zu gründen. Kein Verstoß liegt vor, wenn eine Genehmigung eingeholt wird. Eine Genehmigung kann erteilt werden, wenn dies für die Sicherstellung einer kritischen Energieversorgung in der EU oder in Fällen, in denen das Verbot ausschließlich eine EU-Rechtsperson betrifft, als notwendig erachtet wird.
Die USA haben Verbote für Investitionen und Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Bau und der Instandhaltung von Energiepipeline-Projekten und der Erdölerschließung oder -förderung in der Tiefsee, Arktis oder Schieferölprojekten verhängt, die (i) das Ziel haben, Öl in Russland zu produzieren (einschließlich Meeresgewässer), oder (ii) die am oder nach dem 29. Januar 2018 eingeleitet wurden, das Ziel haben, an irgendeinem Ort Öl zu produzieren, und an dem eine Person, die Beschränkungen unterliegt, eine Beteiligung von 33 Prozent oder mehr oder die Mehrheit der Stimmrechte besitzt.
Die EU und das Vereinigte Königreich haben umfangreiche Genehmigungsverfahren für die Ausfuhr von Gütern/Technologie, technischen Dienstleistungen, Finanzierung, Vermittlung und anderen Dienstleistungen im Zusammenhang mit bestimmten öl- und gasbezogenen Anlagen an Personen in Russland oder zur Verwendung in Russland sowie Verbote in Bezug auf Erdölexploration und -förderung in der Tiefsee und der Arktis sowie bei Schieferölprojekte in Russland vorgesehen.
Die Ausfuhr und die Erbringungen damit verbundener Dienstleistungen ist – abgesehen von verschiedenen Ausnahmen – grundsätzlich verboten:
Die USA haben die Einfuhr von russischem Öl, Gas und Kohle verboten. Die britischen Verbote erfassen die Einfuhr, die Ausfuhr und Erbringung technischer Dienstleistungen, Finanzierungs- und Vermittlungsdienstleistungen in Bezug auf Öl, Gas und Kohle von oder in die Krim. Die EU hat ähnliche Verbote, die für die Krim, Donezk und Luhansk gelten.
Die EU hat ein weiteres Verbot für den Kauf, Einfuhr oder Verbringung von Kohle und anderen festen fossilen Brennstoffen in die EU vereinbart, wenn diese aus Russland stammen oder aus Russland ausgeführt werden. Das Verbot gilt nicht für die Erfüllung von Verträgen, die vor dem 9. April 2022 bis zum 10. August 2022 abgeschlossen wurden.
Die EU und das Vereinigte Königreich haben die direkte oder indirekte Einfuhr bestimmter Eisen- und Stahlerzeugnisse in die EU oder den Kauf oder Transport dieser Erzeugnisse verboten, wenn sie ihren Ursprung in Russland haben, sich dort befinden und/oder aus Russland ausgeführt wurden.
Vorbehaltlich der Ausnahmen der maritimen Sicherheit und bei Notfällen haben die EU und das Vereinigte Königreich verboten, russischen Schiffen oder von russischen Personen gecharterten Schiffen Zugang zu den jeweiligen Hoheitsgebieten zu gewähren. Russische Flugzeuge dürfen nicht das Vereinigte Königreich, die EU oder USA überfliegen oder dort landen.
Das Vereinigte Königreich hat das Verbot eingeführt, einer benannten Person direkt oder indirekt oder zu deren Nutzen technische Unterstützung in Bezug auf ein Flugzeug oder ein Schiff zu gewähren. Gegen dieses Verbot wird nicht verstoßen, wenn (i) kein begründeter Verdacht besteht, dass die technische Hilfe für eine bestimmten Person oder zu deren Gunsten geleistet wird; oder (ii) wenn eine mangelnde technische Hilfestellung das Leben von Personen an Bord oder die Sicherheit des Flugzeugs oder Schiffes gefährdet.
In der EU gibt es Beschränkungen für die Ausfuhr von Gütern und Technologien der Meeres- und Schiffstechnik nach Russland, die in Russland verwendet oder an Bord eines unter russischer Flagge fahrenden Schiffes gebracht werden sollen, sowie Verbote für die Bereitstellung technischer Hilfe, Vermittlungsdienste oder anderer Dienstleistungen im Zusammenhang mit solchen Waren und Technologien. Die EU hat außerdem ein Ausfuhrverbot für Flugturbinenkraftstoffe und Kraftstoffadditive eingeführt.
Die folgenden Banken wurden vom SWIFT-Netzwerk abgeschnitten, mit der Konsequenz, dass sie das Netzwerk nicht zur Erleichterung grenzüberschreitender Geldtransfers verwenden können: Bank Otkritie, Novikombank, Promsvyazbank, Bank Rossiya, Sovcombank, VNESHECONOMBANK (VEB) und VTB Bank. Es gibt zwar Alternativen zu SWIFT, aber keine davon ist vergleichbar effizient.
Die EU, das Vereinigte Königreich und die USA haben seit 2014 Sanktionen verhängt, die die Gewährung neuer Darlehen oder Kredite für bestimmte Geldmarktinstrumente, Aktien und übertragbare Wertpapiere, die von bestimmten russischen Unternehmen ausgegeben werden, sowie den Handel mit ihnen verbieten. Diese Sanktionen wurden von der EU weitestgehend ausgeweitet.
Unternehmen aus der EU und dem Vereinigten Königreich sollten sich zunächst über die Sanktionen des Vereinigten Königreichs, der EU, der USA und anderer Länder informieren, die an einem Vertrag mit Russland beteiligt sind, und dann prüfen, ob es Ausnahmen oder andere Gründe gibt, die dazu führen, dass die Sanktionen dieser Länder nicht für sie oder das vorgesehene Geschäft gelten.
Die EU-Verbote gelten nunmehr für:
Sie gelten auch für die folgenden Arten von Geschäften, die mit einer langen Liste russischer Unternehmen verbunden sind:
Diese Verbote gelten für verschiedene Unternehmen, einschließlich, aber nicht beschränkt auf Sberbank, VTB Bank, Gazprombank, Vnesheconombank (VEB), Rosselkozbank OPK Oboronprom, United Aircraft Corporation und Uralvagonzavod, Roseneft, Transneft und Gazprom Neft. Sie gelten auch für Nicht-EU-Unternehmen, die sich zu mehr als 50 % im Besitz von Personen/Unternehmen befinden, die unter das Verbot fallen, und für alle Unternehmen, einschließlich EU-Unternehmen, die in ihrem Namen oder auf ihre Anweisung hin handeln. Ähnliche Beschränkungen wurden für die russische Zentralbank und alle Unternehmen, die in ihrem Namen oder auf ihre Anweisung hin handeln, verhängt.
Die USA haben nun auch ein Verbot für alle neuen Investitionen in der Russischen Föderation durch US-Personen verhängt.
Es ist notwendig, die geltenden Zahlungsbedingungen zu berücksichtigen. Die Europäische Kommission hat in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass Zahlungsaufschübe nicht als Darlehen oder Kredit gewertet werden, sofern sie nicht missbräuchlich genutzt werden. Es ist jedoch nicht klar, ob dies auch für die neuen Finanzsanktionen gilt. Auch Akkreditive können problematisch sein. Am sichersten ist es, die Zahlung im Voraus oder sofort bei Rechnungsstellung zu verlangen.
Kreditinstituten ist es untersagt, Einlagen von russischen Staatsangehörigen oder Personen mit Wohnsitz innerhalb Russlands in Höhe von mehr als EUR 100.000 anzunehmen, es sei denn, die Einlagen sind für den grenzüberschreitenden Handel zwischen der EU und Russland erforderlich, der nicht aufgrund von Sanktionen verboten ist. Der Verkauf von auf Euro lautenden übertragbaren Wertpapieren oder Anteilen, die ein Engagement in solchen Wertpapieren bieten, und die Erbringung bestimmter Dienstleistungen im Zusammenhang mit übertragbaren Wertpapieren an solche Personen ist nach dem 12. April 2022 ebenfalls verboten.
Es gibt weitere Verbote für eine Reihe von Tätigkeiten im Zusammenhang mit Russland, die auf Kredit-Rating-Dienste, Projekte, die vom Russian Direct Investment Fund mitfinanziert werden; die Rundfunkaktivitäten russischer Medien und Versicherungen und Rückversicherungen abzielen.
Das Vereinigte Königreich und die USA haben eine Reihe von allgemeinen Genehmigungen erteilt, um die Abwicklung ansonsten verbotener Geschäfte zu ermöglichen. Andere Handelsbeschränkungen können durch eine spezielle Lizenz genehmigt werden. Es ist zu beachten, dass die Ausfuhr von Dual-Use-Gütern und damit zusammenhängenden Dienstleistungen die Genehmigung der üblichen Ausfuhrkontrollbehörden sowie eine Genehmigung der zuständigen Aufsichtsbehörde eines EU-Mitgliedstaats oder eine entsprechende Mitteilung an diese Behörde und eine zusätzliche Zollerklärung erfordern kann.
Die von der EU, den USA und dem Vereinigten Königreich (und anderen Ländern wie Kanada und der Schweiz) verhängten Sanktionen sind komplex. Verstöße können als Straftaten verfolgt werden und können zu Geldbußen oder Einziehungsanordnungen gegen Unternehmen führen. Es ist deshalb empfehlenswert, bei jeder geplanten Transaktion mit Bezug zu Russland sorgfältig vorzugehen.
Für weitere Informationen zu Sanktionen wenden Sie sich bitte an Jochen Pörtge für EU-Sanktionen sowie Tom Stocker und Stacy Keen für britische und EU-Sanktionen.