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Bundestag berät über Entlastung der Justiz bei Massenverfahren


Seit Jahren wird das Justizsystem durch Massenverfahren zunehmend belastet, Rufe nach Reformen werden von vielen Seiten laut. Nun hat auch die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag einen entsprechenden Antrag eingereicht.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat einen Antrag auf „wirksame Regelungen zur Bewältigung von Massenverfahren“ gestellt. Die Belastung der Justiz durch Massenverfahren nimmt schon seit Jahren zu und hat laut dem Antrag ein Ausmaß erreicht, „das deren Funktionsfähigkeit ernsthaft gefährdet“.

 

„Aus Politik und Justiz werden bereits seit Jahren Rufe nach gesetzlichen Rahmenbedingungen für die effizientere Durchführung von Masseverfahren laut“, so Christian Schmidt, Experte für Gerichts- und Schiedsverfahren bei Pinsent Masons. „Nach Veröffentlichung des Referentenentwurfs zur Umsetzung der Verbandsklagerichtlinie wird sich auf Antrag der Unionsfraktion nun auch der Bundestag mit den bislang diskutierten Vorschlägen auseinandersetzen und diese womöglich auch im Rahmen der Umsetzung der Verbandsklagerichtlinie berücksichtigen können.“

 

Auch die Justizminister der Länder drängen bereits seit geraumer Zeit darauf, dass die Justiz bei Massenverfahren entlastet wird. Im November 2021 forderte sie ein entsprechendes Reformpaket. Zudem hatte der hessische Justizminister Prof. Dr. Roman Poseck im September 2022 im Bundesrat eine Initiative zur Entlastung der Gerichte bei zivilgerichtlichen Massenverfahren vorgestellt.

Einer Stellungnahme des Deutschen Richterbundes aus Mai 2022 zufolge gingen bei den 24 deutschen Oberlandesgerichten allein im Zusammenhang mit dem „Diesel-Komplex“ im Zeitraum von 2018 bis 2021 rund 117.500 Zivilklagen gegen Autohersteller ein. Allein am Landgericht Stuttgart seien es 2021 rund 8.700 Diesel-Verfahren gewesen. Am Landgericht Frankfurt am Main seien Anfang 2022 an einem einzigen Tag 100 Verfahren von Wirecard-Anlegern eingegangen. Erst vor wenigen Wochen teilte außerdem das Landgericht München I mit, dass bei Ihm seit 2019 insgesamt 2251 Verfahren im Wirecard-Komplex eingegangen seien und verwies darauf, wie stark die Ressourcen des Gerichts hierdurch belastet werden.

Diese Verfahren werden häufig von spezialisierten Rechtsdienstleistern bearbeitet, die bei Gericht umfangreiche Schriftsätze von oftmals mehreren hundert Seiten nebst Anlagen einreichen – häufig mit nur wenig Bezug zum konkreten Einzelfall, was den Arbeitsaufwand der Gerichte erhöht.

Wie bereits die Justizminister der Länder, fordert nun auch der Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, dass ein Vorabentscheidungsverfahren für Massenklagen eingeführt wird. Damit sollen entscheidende Rechtsfragen frühzeitig höchstrichterlich geklärt werden. Zudem schlägt der Antrag vor, dass das Prozessrecht insoweit angepasst wird, dass künftig auch Künstliche Intelligenz bei der Bearbeitung von Massenverfahren zum Einsatz kommen kann. Diesen Vorschlag hatte Ende 2021 auch schon der Deutsche Richterbund (DRB) in einer Stellungnahme vorgebracht. Auch will die CDU/CSU-Fraktion ebenso wie der DRB einem Phänomen, das gelegentlich als „Revisionsflucht“ bezeichnet wird, einen Riegel vorschieben: Damit ist gemeint, dass Unternehmen, die von Massenklagen betroffen sind, ihre Revision vor dem BGH häufig zurücknehmen, wenn sich abzeichnet, dass dieser ein Grundsatzurteil zu ihren Ungunsten sprechen könnte. Geht es nach dem Antrag, so soll es dem Revisionsgericht künftig möglich sein, eine Entscheidung selbst dann noch zu fällen, wenn die Revision zurückgenommen wurde.

Doch der Antrag enthält auch neue Vorschläge: So sollen Ergebnisse aus der Beweisaufnahme in einem Verfahren auch auf andere Verfahren aus demselben Masseverfahrenskomplex übertragen werden können.

„Dieser Vorschlag ist besonders interessant“, so Carlo Schick, Experte für Massenverfahren bei Pinsent Masons. „Bisher erlaubt die Zivilprozessordnung dies in Paragraf 411a bewusst nur für Sachverständigengutachten zu identischen Beweisfragen. Für massenhaft in Anspruch genommene Unternehmen würde dies bedeuten, dass die wirtschaftliche Relevanz einzelner Zeugenaussagen oder Inaugenscheinnahmen erheblich steigt. Damit würde auch die sorgfältige Vorbereitung und Durchführung solcher Beweisaufnahmen noch wichtiger.“

Außerdem sieht der Antrag vor, dass Gerichte künftig die Möglichkeit von Fristverlängerungen einschränken können, um Verfahren so zu beschleunigen. Zudem soll die Rechtsanwaltsvergütung angepasst werden, sodass Massenverfahren für Anwälte finanziell unattraktiver werden.

Der Antrag soll laut Tagesordnung am Donnerstag, 2. März, erstmalig im Bundestag beraten werden.

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