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EuGH stärkt Rechte von Markeninhabern in Erschöpfungssituationen


In einem Rechtsstreit des Audioelektronikunternehmens Harman gegen den polnischen Vertriebshändler AB S.A. hat der EuGH klargestellt, dass Markeninhaber nicht verpflichtet sind, ein System einzurichten über das es Dritten möglich ist, den beabsichtigten Markt für eine bestimmte Ware unmittelbar zu erkennen.

Harman hatte mit einem Vertriebshändler eine Vereinbarung über den Verkauf seiner Produkte unter den Marken JBL und HARMAN, für die Harman die Markenrechte besitzt, für Polen geschlossen. AB bezog die Harman-Produkte jedoch von einem anderen Lieferanten als dem von Harman für den polnischen Markt zugelassenen Vertriebshändler und verkaufte sie in Polen.

Harman sah darin eine Verletzung seiner Markenrechte und erhob Klage vor dem Landgericht Warschau mit dem Ziel, AB die Einfuhr und das Inverkehrbringen von Lautsprechern, Kopfhörern und deren Verpackungen mit diesen Marken zu untersagen. Außerdem verlangte Harman von AB, diese Produkte vom Markt zu nehmen und sie zu vernichten.

AB vertrat dagegen die Auffassung, dass die Rechte Harmans erschöpft seien, da die betreffenden Produkte nach Ansicht von AB von Harman oder mit dessen Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) in Verkehr gebracht wurden. AB hatte sich auf entsprechende Informationen seines Lieferanten verlassen, hatte aber keinen direkten Einblick in die tatsächliche Situation.

Wie in Fällen, in denen Produkte zurückgenommen oder vernichtet werden müssen, üblich, bezog das polnische Verletzungsgericht sein Urteil auf „Produkte, die nicht vom Inhaber der EU-Marke oder mit seiner Zustimmung im EWR in Verkehr gebracht wurden“. Mit dieser Formulierung überließen es die Gerichte den Vollstreckungsbehörden zu entscheiden, welche Produkte im Einzelnen ohne Zustimmung auf den Markt gebracht wurden und daher zurückgenommen oder vernichtet werden müssen.

Vor diesem Hintergrund hatte das Landgericht Warschau den Fall dem EuGH vorgelegt und gefragt, ob Artikel 15 Absatz 1 der Unionsmarkenverordnung und Artikel 36 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union sowie andere einschlägige Vorschriften des EU-Rechts so auszulegen sind, dass sie einer Rechtsprechungspraxis entgegenstehe, „nach der der Tenor der Entscheidung, mit der einer Klage wegen Verletzung einer Unionsmarke stattgegeben wird, so allgemein formuliert wird, dass es der für die Vollstreckung dieser Entscheidung zuständigen Behörde überlassen bleibt, zu bestimmen, auf welche Waren diese Entscheidung Anwendung findet.“ Das Landgericht Warschau hob auch hervor, dass aus den von Harman verwendeten Kennzeichnungssystemen nicht klar hervorgeht, für welchen Markt die Produkte von Harman bestimmt sind.

Der EuGH stellte fest, dass die Rechtspraxis der polnischen Gerichte nicht gegen EU-Recht verstößt, sofern „der Beklagte im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens die Bestimmung der von diesem Verfahren erfassten Waren anfechten kann und ein Gericht […] prüfen und entscheiden kann, welche Waren vom Inhaber der Marke oder mit seiner Zustimmung tatsächlich im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht wurden.“

Dr. Fabian Klein, Markenexperte bei Pinsent Masons, sieht durch die Entscheidung des EuGH die Position der Markeninhaber gestärkt: „Der EuGH hat klargestellt, dass die Beweislast für den Nachweis der Erschöpfung im Allgemeinen beim Beklagten liegt. Eine Umkehr der Beweislast ist nur dann möglich, wenn das vom Markeninhaber verwendete Vertriebssystem eine Gefahr für den freien Warenverkehr im EU-Binnenmarkt darstellen würde. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein ausschließliches Vertriebssystem besteht, aber nicht bereits deshalb, weil es für den Beklagten schwierig ist, Informationen über das tatsächliche Bestimmungsland einer Ware  zu ermitteln.“

Dr. Klein betont auch, dass der EuGH eindeutig die Idee abgelehnt habe, dass Markeninhaber zur Verwendung eines Systems verpflichtet seien, bei dem jeder Dritte den beabsichtigten Markt eines bestimmten Artikels direkt identifizieren könnte. Die Umsetzung eines solchen Systems wäre laut Dr. Klein beinahe unmöglich gewesen und hätte mit Sicherheit zu großen Störungen bei verschiedenen Unternehmen geführt.

Dem Landgericht Warschau darin zuzustimmen, die vom Markt zu nehmenden oder zu vernichtenden Produkte im Verletzungsurteil nur abstrakt zu identifizieren und die konkrete Entscheidung an die Vollstreckungsbehörden zu delegieren, sei logisch, so Dr. Klein. „Die Alternative wäre gewesen, in der Entscheidung über die Verletzung eine Spezifizierung der nicht erschöpften Waren zu verlangen, zum Beispiel durch Angabe der Seriennummer oder einer ähnlichen Bezeichnung. Da ein Unterlassungsurteil aber immer in die Zukunft gerichtet ist, wäre es quasi nutzlos, wenn es für jede neue ‚Sendung‘ grundsätzlich neu erwirkt werden müsste, da die Seriennummer oder ein anderes Kennzeichen bei der nächsten Charge nicht erschöpfter Waren sehr wohl anders sein kann.“

Der Markenrechts-Experte wies darauf hin, dass es für Markeninhaber generell ratsam ist, enge Kontakte zu den Vollstreckungsbehörden oder Zollbehörden zu unterhalten und diese darin zu schulen, wie sie Originalwaren von Fälschungen und erschöpfte Waren von nicht erschöpften Waren unterscheiden können. „Auf diese Weise können Markeninhaber die ungerechtfertigte Beschlagnahme ‚rechtmäßiger‘ Waren vermeiden, wodurch sie das Risiko von Schadensersatzforderungen verringern und ihre Marktposition stärken“, so Dr. Klein.

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