Der Bundestag hat das umstrittene Lieferkettengesetz mit Änderungen des Ausschusses für Arbeit und Soziales verabschiedet. Das neue Gesetz wurde zudem umbenannt und heißt nun „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“. Es verpflichtet große deutsche Unternehmen sowie ausländische Unternehmen mit Zweigniederlassung in Deutschland, dafür zu sorgen, dass auch ihre Zulieferer aus dem Ausland Umwelt- und Sozialstandards einhalten. Es tritt Anfang 2023 in Kraft.
„Mit der Verabschiedung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes ist klar: Betroffenen Unternehmen sollten jetzt rasch handeln“, sagt Dr. Eike W. Grunert, Experte für Compliance bei Pinsent Masons, der Kanzlei hinter Out-Law. „Die wesentlichen Sorgfaltspflichten müssen bei Inkrafttreten am 1.1.2023 betriebsintern bereits umgesetzt sein, um Geldbußen zu vermeiden. Dazu gehören insbesondere die Einrichtung des Risikomanagements, die Durchführung einer Risikoanalyse, die Verankerung von Präventionsmaßahmen und die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens. Diese und weitere Maßnahmen lassen sich nicht von heute auf morgen oder innerhalb weniger Wochen bewerkstelligen – insbesondere, wenn es noch an ausreichender Transparenz in der eigenen Lieferkette fehlt.“
Das neue Gesetz wird ab 2023 für Konzerne mit mindestens 3.000 Arbeitnehmern im Inland gelten. Ab 2024 erfasst es dann auch kleinere Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern. Dabei werden auch Arbeitnehmer von Tochter- und Enkelgesellschaften, sowie Schwester- und deren Tochter- und Enkelgesellschaften eingerechnet.
„Quasi in letzter Minute wurde der Anwendungsbereich zudem noch erheblich ausgeweitet, und erstreckt sich nun immerhin auch auf alle im deutschen Handelsregister eingetragenen Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen, unabhängig davon, ob sich deren Hauptverwaltung oder Verwaltungssitz im Inland befindet“, so Dr. Grunert.
Das Gesetz verpflichtet Unternehmen, die Risiken innerhalb ihrer Lieferkette in Bezug auf Zwangsarbeit, Kinderarbeit, Diskriminierung, Verstöße gegen die Vereinigungsfreiheit, problematische Anstellungs- und Arbeitsbedingungen und Umweltschädigungen zu ermitteln und zu bewerten. Auf Basis dieser Analyse sollen Maßnahmen ergriffen werden, die Menschenrechtsverletzungen in diesen Bereichen vorbeugen oder das Risiko minimieren.
Das gilt jedoch nur im eigenen Geschäftsbereich der Unternehmen und bei ihren unmittelbaren Zulieferern. Mittelbare Zulieferer sind zwar ebenfalls als Teil der Lieferkette definiert, vom umfangreichen Pflichtenkatalog aber nur dann erfasst, wenn das Unternehmen über mögliche Verletzungen Kenntnis erlangt. Das vorgeschriebene unternehmensinterne Beschwerdeverfahren muss daher auch Beschwerden von Mitarbeitern mittelbarer Zulieferer ermöglichen. Zudem werden Unternehmen verpflichtet, jährlich einen Bericht über tatsächliche und mögliche negative Folgen ihrer Geschäftstätigkeit in Bezug auf Menschenrechte zu veröffentlichen.
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle soll überwachen, ob die vom Gesetz erfassten Unternehmen sich an die neuen Vorschriften halten. Betroffene können sich auch direkt bei dieser Behörde über mögliche Verstöße beschweren. Bei Verfehlungen drohen Geldbußen von bis zu zwei Prozent des jährlichen Unternehmensumsatzes. Ab einer Bußgeldhöhe von 175.000 Euro könnten Unternehmen zudem für bis zu drei Jahre von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden. Zugleich wurde klargestellt, dass das Gesetz keine eigenständige zivilrechtliche Haftung zu Lasten verpflichteter Unternehmen begründet, etwa in Form von Schadenersatz für Betroffene.
Durch eine Änderung am Betriebsverfassungsgesetz müssen zudem in Zukunft Fragen rund um die Sorgfaltspflichten in der Lieferkette mit dem unternehmenseigenen Wirtschaftsausschuss abgestimmt werden.
Experten weisen darauf hin, dass sich Führungskräfte und Mitarbeiter von Unternehmen bei Missständen in der Lieferkette auch wegen Geldwäsche strafbar machen können: „Auch Unternehmen, die nicht in den Anwendungsbereich des Lieferkettengesetzes fallen, sollten sich ihre Lieferanten und Kunden genau ansehen“, so Dr. Jochen Pörtge, Experte für Wirtschaftsstrafrecht bei Pinsent Masons. „Nach Inkrafttreten der neuen Fassung des Straftatbestands der Geldwäsche kann jede – auch fahrlässige – Straftat eine Vortat im Sinne der Geldwäsche sein. Damit ist jeder Wirtschaftsteilnehmer dem Risiko ausgesetzt, sich wegen Geldwäsche strafbar zu machen, wenn er Waren oder Zahlungen entgegennimmt, die aus einer rechtswidrigen Tat herrühren.“
Dabei genügt es nach dem kürzlich geänderten Straftatbestand der Geldwäsche bereits, wenn leichtfertig nicht erkannt wird, dass es sich um einen Gegenstand handelt, der aus einer Straftat herrührt. Leichtfertig handelt, „wer die sich ihm aufdrängende Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung aus besonderem Leichtsinn oder aus besonderer Gleichgültigkeit außer Acht lässt“.
„So können sich beispielsweise Abnehmer von Waren strafbar machen, die unter Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz, mit Zwangsarbeit, mittels Ausbeutung der Arbeitskraft oder auch unter Begehung von Umweltstraftaten produziert wurden“, so Dr. Pörtge. „Gerade bei pressebekannten Vorwürfen sollten Unternehmen besonders aufmerksam sein.“