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EU-Kommission durfte Übernahme von Grail durch Illumina nicht untersagen


Der EuGH hat entschieden, dass die EU-Kommission nicht befugt war, die Übernahme des US-Unternehmens Grail durch das US-Unternehmen Illumina zu untersagen, da Grail nicht auf EU-Märkten aktiv ist.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hebt somit ein Urteil des Gerichts der Europäischen Union (EuG) auf, das anders über den Fall entschieden hatte. Die von der Kommission verhängte Rekord-Geldbuße in Höhe von 432 Millionen Euro – was zehn Prozent des Umsatzes von Illumina entsprach – ist somit ebenfalls hinfällig.

„Die Kommission ist nicht berechtigt, die Verweisung von geplanten Zusammenschlüssen ohne europaweite Bedeutung durch nationale Wettbewerbsbehörden an sie anzuregen oder zu akzeptieren, wenn diese nach nationalem Recht nicht für die Prüfung dieser Vorhaben zuständig sind“, stellt der EuGH klar.

Dr. Michael Reich, Experte für Kartellrecht bei Pinsent Masons, erklärt: „Der EuGH hat mit diesem Urteil Rechtssicherheit geschaffen. Die Zuständigkeiten der Kartellbehörden können nicht über den Wortlaut der von den Gestzen geschaffenen Zuständigkeiten hinaus erweitert werden. Gerade bei der Frage, ob eine Fusionskontrolle durchzuführen ist oder nicht, ist Rechtssicherheit ein entscheidender Faktor. Dennoch bleibt bei den Kartellbehörden ein legitimes Interesse, sogenannte „Killer Acquisitions“, also der Übernahme kleiner, innovativer Unternehmen, prüfen zu können. Wir werden damit rechnen können, dass die Kommission nach neuen Wegen suchen wird, solche Transaktionen zu prüfen.“

Grail ist ein US-amerikanisches Unternehmen, das Bluttests für die Früherkennung von Krebserkrankungen entwickelt. Illumina ist ebenfalls in den USA ansässig und spezialisiert auf genetische Analysen. Am 21. September 2020 hatte Grail den geplanten Kontrollerwerb bekanntgegeben.

Da Grail weder in der Europäischen Union noch an einem anderen Ort der Welt Umsätze erwirtschaftete und daher anzunehmen war, dass der Zusammenschluss keine europaweite Bedeutung hat, wurde der Deal nicht bei der Kommission angemeldet. Auch bei den nationalen Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten wurde der Erwerb nicht angemeldet, da er die maßgeblichen Schwellenwerte nicht erreichte. Nach Bekanntgabe des Mergers gingen Beschwerden bei der Kommission ein, woraufhin sie die Mitgliedstaaten aufforderte, Verweisungsanträge nach der Fusionskontrollverordnung zu stellen, damit der Zusammenschluss durch die Kommission geprüft werden kann. Daraufhin ging ein entsprechender Antrag der französischen Wettbewerbsbehörde bei der Kommission ein, dem sich weitere Wettbewerbsbehörden anderer EU-Staaten anschlossen.

Nach einer 17-monatigen Fusionsuntersuchung untersagte die Kommission die Übernahme von Grail durch Illumina im September 2022.  Die Kommission äußerte die Befürchtung, dass die Übernahme die Konkurrenten von Grail von Innovationen und der Entwicklung eigener Krebstests abhalten und damit den künftigen Wettbewerb beeinträchtigen könnte. Die Kommission befürchtete Preiserhöhungen und eine geringere Auswahl für Verbraucher.

Illumina und Grail legten gegen dieses Urteil jeweils Rechtsmittel ein. Die Fusion hatten sie ohnehin bereits vollzogen. Das EuG unterstützte mit seinem Urteil vom 13. Juli 2022 die Entscheidung der Kommission: Sie sei befugt gewesen, die Übernahme von Grail durch Illumina zu prüfen.

Dieses Urteil hat der EuGH nun jedoch aufgehoben. Er stellte klar, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden bei der Kommission nicht die Prüfung eines Zusammenschlusses beantragen können, wenn dieser keine europaweite Bedeutung hat und darüber hinaus ihrer Kontrollzuständigkeit entzogen ist, weil er nicht die nationalen Schwellenwerte erreicht.

Insbesondere habe das EuG zu Unrecht festgestellt, dass die Fusionskontrollverordnung (FKVO) mit Artikel 22 ein „Korrektiv“ vorsehe, das auf eine wirksame Kontrolle sämtlicher Zusammenschlüsse mit erheblichen Auswirkungen auf die Wettbewerbsstruktur in der Union abziele, so der EuGH. Die Auslegung des EuG könnte das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen mit der Fusionskontrollverordnung verfolgten Zielen stören.

Artikel 22 FKVO befähigt die Mitgliedstaaten dazu, Fusionskontrollfällen von der an die EU-Kommission zu überweisen. Ursprünglich war der Artikel nur dazu gedacht, Zusammenschlüsse aus Mitgliedstaaten zu erfassen, die selbst noch kein Fusionskontrollregime hatten. Ab dem Jahr 2021 legte die EU-Kommission den Artikel jedoch so aus, dass auch „Killerakquisitionen“ von ihm erfasst würden. Diese Auslegung, hat der EuGH nun jedoch für rechtswidrig erklärt.

Weiter führt der EuGH aus, dass die Schwellenwerte, die festgelegt werden, um zu bestimmen, ob ein Zusammenschluss angemeldet werden muss oder nicht, ein wichtiger Garant für Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit für die betroffenen Unternehmen seien. Sie müssen nämlich leicht feststellen können, ob ihr geplanter Zusammenschluss einer vorherigen Prüfung zu unterziehen ist und, wenn ja, durch welche Behörde und unter welchen Verfahrensanforderungen.

„Das Urteil wird keine direkten Auswirkungen auf Illumina haben, da das Unternehmen Grail bereits verkauft hat, könnte jedoch zukünftige Fusionskontrollen in der EU erheblich beeinflussen“, so Dr. Reich.

Die US-Regulierungsbehörden hatten ebenfalls Bedenken geäußert und Illumina im Jahr 2023 dazu aufgefordert, Grail abzustoßen, um den Wettbewerb auf dem US-Markt zu schützen. Zwischenzeitlich hat Illumina die Fusion mit Grail rückgängig gemacht.

Arkadius Strohoff, Experte für Kartellrecht bei Pinsent Masons: „Das Interesse der Kartellbehörden an der Überprüfung von Transaktionen unterhalb der Schwellenwerte ist nicht auf die EU beschränkt. In den letzten Jahren hat sich dies zu einem globalen Trend entwickelt, der keine Anzeichen einer Abschwächung zeigt. Trotz des begrüßenswerten Urteils des EuGH werden M&A-Parteien weiterhin mit der zunehmenden Unsicherheit und Komplexität der internationalen Fusionskontrollregeln konfrontiert sein. Alle Transaktionen erfordern daher eine umfassende Analyse möglicher kartellrechtlicher Risiken.“

So haben zahlreiche Mitgliedstaaten zwischenzeitlich rechtliche Möglichkeiten für sogenannte ex-officio-Prüfungen von Fusionen geschaffen, um auch Transaktionen unterhalb der Umsatzschwellen prüfen zu können.

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