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Ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz am Ende?

SEO Kanzler Scholz beim Arbeitgebertag 2024 in Berlin Foto von Sean Gallup via Getty Images

Kanzler Scholz beim Arbeitgebertag in Berlin. Foto von Sean Gallup via Getty Images


Scholz und Habeck übertreffen sich in Ankündigungen, Unternehmen beim Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz entlasten zu wollen. Ob ihnen das gelingt, bleibt jedoch offen.

Wie aus Medienberichten hervorgeht, hat Bundeskanzler Olaf Scholz Unternehmen zugesagt, bürokratische Hürden abzubauen. Insbesondere das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) soll abgeschwächt werden.

Deutsche Unternehmen beklagen sich schon seit Jahren über den stetig steigenden Bürokratie-Aufwand. Mittlerweile sind sich zahlreiche Wirtschaftsexperten einig, dass die überbordende Bürokratie dem Wirtschaftsstandort Deutschland schadet, Investitionen hemmt und Unternehmen ins Ausland treibt.

Beim Arbeitgebertag in Berlin stieß Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger ins gleiche Horn und forderte die Bundesregierung auf, die Arbeitgeber zu entlasten. Vom Abbau der Bürokratie komme bei den Arbeitgebern bislang nichts an, sagte er und verwies auf das vor weniger als zwei Jahren in Kraft getretene LkSG. Darauf reagierte Bundeskanzler Olaf Scholz mit der Zusage, das LkSG abzuschwächen. Ähnliche Aussagen hatte kürzlich bereits Wirtschaftsminister Robert Habeck getätigt.

Experten warnen jedoch vor voreiliger Freude auf Seiten der Betriebe: „Es bleibt abzuwarten, ob Kanzler und Vize-Kanzler ihre Versprechen auch werden halten können“, so Dr. Michael Reich von Pinsent Masons. Er verweist darauf, dass unter anderem der SPD-Fraktionsvorsitzende Mützenich noch im Juni dieses Jahres den Vorstoß von Bundesminister Habeck zur Aussetzung des LkSG abgelehnt hat. „Solange nichts beschlossen ist, können wir Unternehmen nur dazu raten, sich an das geltende Recht und die geltenden Gesetze zu halten. Das gilt auch für das LkSG.“

Das LkSG ist seit 1. Januar 2023 in Kraft. Es verpflichtet große deutsche Unternehmen sowie ausländische Unternehmen mit Zweigniederlassung in Deutschland dazu, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, damit sowohl sie selbst als auch ihre Zulieferer aus dem In- und Ausland bestimmte Umwelt- und Sozialstandards einhalten. Hierzu müssen die Unternehmen unter anderem eine Risikoanalyse durchführen, ein Beschwerdemanagement einrichten und zudem jährlich über ihre Compliance mit dem Gesetz Bericht erstatten.

„Fest steht, dass der Druck auf die Bundesregierung durch diverse Lobbyverbände hoch ist und das LkSG wohl auch in mehreren Ministerien kritisch gesehen wird“, so Dr. Reich. „Vor dem Hintergrund der jüngsten Aussage des Bundeskanzlers sollte man erwägen, besonders kostenträchtige oder arbeitsintensive Maßnahmen zu verschieben, bis Klarheit darüber besteht, wie die Bundestagsmehrheit, insbesondere die Fraktionen der SPD und Grünen, sowie die Gruppen der Linken und des BSW sich verhalten wollen.“

Vollständig wird die Bundesregierung die Unternehmen ohnehin nicht davon entbinden können, über die Nachhaltigkeit ihrer Lieferketten Rechenschaft abzugeben: Erst im Juli ist in der EU die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) in Kraft getreten, die ganz ähnliche Berichts- und Sorgfaltspflichten für Unternehmen vorsieht wie das deutsche LkSG. Dabei geht die CSDDD sowohl bei den Sorgfaltspflichten als auch bei den Schutzgütern teilweise sogar noch deutlich weiter, etwa mit Blick auf Ausdehnung auf die gesamte Wertschöpfungskette, die zivilrechtrechtliche Haftung oder die Pflicht zur Entwicklung von Klimaplänen.

Die CSDDD soll noch in dieser Legislaturperiode in deutsches Recht umgesetzt werden und im Unterschied zum LkSG auch den Umsatz als Schwellenwert berücksichtigen. So sollen voraussichtlich ab Mitte 2027 zunächst EU-Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitenden und einem weltweiten Nettoumsatz von mehr als 1,5 Milliarden betroffen sein, bis die Schwellenwerte ab Mitte 2029 schließlich bei 1.000 Mitarbeitenden und einem weltweiten Nettoumsatz von 450 Millionen Euro liegen werden.

Die Regelungen der CSDDD werden somit zumindest formell weniger deutsche Unternehmen betreffen als das LkSG und dies zudem auch noch zu einem deutlich späteren Zeitpunkt.

Experten sehen die bloße Beschränkung auf gesetzliche Schwellenwerte allerdings kritisch: „Die Erfahrung mit dem LkSG hat gezeigt, dass zahlreiche Unternehmen die Einhaltung von bestimmten LkSG-Sorgfaltspflichten von ihren Zulieferern verlangen, unabhängig davon, ob diese Zulieferer selbst in den Anwendungsbereich des LkSG fallen“, betont Philipp Loßmann von Pinsent Masons. „Es sollte daher davon ausgegangen werden, dass diese Praxis der mittelbaren Verpflichtung auch mit Blick auf die CSDDD Einzug halten wird.“

Ob eine Aufweichung oder gar Abschaffung des LkSG auch langfristig zu der erhofften Entlastung für deutsche Unternehmen führen wird, darf vor diesem Hintergrund zumindest bezweifelt werden. Sicher hingegen ist, dass die Lieferketten-Compliance auch auf absehbare Zeit ein zentrales Thema für deutsche Unternehmen bleiben wird, was nicht zuletzt durch weitere dahingehende EU-Initiativen, wie etwa die ab Ende 2025 geltende Entwaldungsverordnung, verdeutlicht wird.

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