Das neue Gesetz bildet einen einheitlichen Fachkräftebegriff, der sowohl Fachkräfte mit Berufsausbildung als auch solche mit akademischen Abschlüssen umfasst. Die Regeln zur Einwanderung von Fachkräften ohne akademische Ausbildung wurde nun gelockert. Das Gesetz soll dazu dienen, mehr Bewerber aus Staaten außerhalb der EU nach Deutschland zu holen, so das Handelsblatt. Trotz sich abschwächender Konjunktur fehle es nicht nur an Fachkräften mit Hochschulstudium, etwa Ingenieuren oder Ärzten, sondern auch an Fachkräften mit Berufsausbildung wie Handwerkern oder Pflegekräften. Laut Arbeitsmarktreport des Deutschen Industrie- und Handelskammertages aus 2018 sind bis zu 1,6 Millionen Stellen unbesetzt.
Arbeitsrechtsexpertin Carolin Kaiser von Pinsent Masons, der Anwaltskanzlei hinter Out-Law: „Vor allem für Arbeitgeber, die vorwiegend Fachkräfte in Ausbildungsberufen beschäftigen und benötigen, stellt dieser Ansatz eine wesentliche Verbesserung dar, dem Fachkräftemangel in Deutschland entgegenzusteuern.“ Aufgrund der aktuellen Situation in Deutschland sei das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ein erster logischer Schritt hin zu einer weiteren Öffnung des Arbeitsmarktes. „Es bleibe allerdings abzuwarten, ob es wirklich eine effektive Lösung ist, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, oder ob sich die Kritik, es sei bei weitem nicht umfassend genug, bestätigt.“
Carolin Kaiser
Rechtsanwältin
Es bleibe allerdings abzuwarten, ob es wirklich eine effektive Lösung ist, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, oder ob sich die Kritik, es sei bei weitem nicht umfassend genug, bestätigt.
Wer qualifiziert ist und Deutsch spricht, kann ab dem 1. März bis zu sechs Monate in Deutschland verbringen, um nach einem Arbeitsplatz zu suchen. Das durften zuvor nur Akademiker.
Kann ein Bewerber eine anerkannte Qualifikation und einen Arbeitsvertrag vorweisen, entfällt zudem ab März die sogenannte Vorrangprüfung, bei der kontrolliert wird, ob nicht auch Deutsche oder EU-Bürger auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, die für die Stelle in Frage kommen. Zudem ist die Einwanderung nicht mehr nur auf Fachkräfte aus Engpassberufen begrenzt.
Damit eine ausländische Qualifikation anerkannt wird, muss sie als gleichwertig zu einer in Deutschland erworbenen Qualifikation gelten. Ob das der Fall ist, prüft die zuständige Ausländerbehörde am Arbeitsort auf Antrag. Die Kosten hierfür trägt der Antragsteller – das ist in manchen Fällen der Arbeitgeber, in anderen der Arbeitnehmer.
„Allerdings müssen sich vor allem kleine und mittelständische Unternehmen die Frage stellen, ob Fachkräfte aus Drittstaaten wirklich die Lösung für ihren Fachkräftemangel darstellen, denn die Rekrutierung von Personal aus dem außereuropäischen Raum ist mit nicht zu unterschätzendem Aufwand verbunden und dürfte gerade für solche Unternehmen eine Herausforderung darstellen“, so Kaiser. Zwar gäbe es für kleine und mittelständische Unternehmen bereits staatliche Initiativen zur Fachkräftesicherung, allerdings bleibe abzuwarten, inwiefern diese im Rahmen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes ausreichen und den Unternehmen in der Praxis tatsächlich helfen.
Zwar würden durch die Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes einige bürokratische Hürden gelockert, zugleich werde für Arbeitgeber aber auch zusätzlicher Aufwand geschaffen, so Kaiser. Beispielsweise wurde nun auch eine Meldepflicht eingeführt: Wird ein Arbeitsverhältnis mit einer Fachkraft aus dem Ausland vorzeitig beendet, muss der Arbeitgeber das innerhalb von vier Wochen bei der zuständigen Ausländerbehörde melden. Kaiser: „Die Einführung dieser Meldepflicht sollte von Arbeitgebern ernst genommen werden, da bei Verstoß ein Bußgeld droht.“
Das neue Gesetz gibt darüber hinaus auch den Bundesländern die Möglichkeit, selbst zentrale Ausländerbehörden zu schaffen, indem sie die lokalen Behörden zusammenlegen. „Es bleibt abzuwarten, ob dies als Chance von den Ländern dafür genutzt wird, Kompetenzen zu bündeln, so dass Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer von beschleunigten Verfahren profitieren können“, so Kaiser. Die Einführung von zentralen Ausländerbehörden sei jedoch laut Gesetz nicht zwingend vorgesehen und ihre Effektivität fragwürdig. Kaiser: „Ihre Zuständigkeit wäre ohnehin darauf beschränkt, das Erstvisum für die Einreise zu erteilen.“ Dadurch könnten sich zusätzliche Unsicherheiten für Arbeitgeber ergeben, insbesondere hinsichtlich der Frage, welche Ausländerbehörde im konkreten Fall zuständig ist. Verfahren könnten sich wieder verzögern.
„Solange noch keine zentrale Ausländerbehörde existiert, gilt weiterhin der Grundsatz, dass die Ausländerbehörde an dem Ort zuständig ist, an dem sich der Ausländer gewöhnlich aufhält, sollte er schon in Deutschland sein, oder an dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt nehmen will, falls die Aufenthaltsgenehmigung aus dem Ausland beantragt wird“, so Kaiser weiter.
Ebenfalls problematisch sehen Experten den hohen bürokratischen Aufwand, der bei der Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen entsteht. Professor Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung nimmt an, die Gesetzesreform werde relativ geringe Effekte haben, weil die Anerkennung der beruflichen Abschlüsse als wesentliche Hürde aufrecht erhalten bleibt.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung will das Anerkennungsverfahren schneller und einfacher machen. Hierzu hat es die Zentrale Servicestelle Berufsanerkennung (ZSBA) ins Leben gerufen. Sie ist bei der Bundesagentur für Arbeit in Bonn angesiedelt und wird als Modellvorhaben zunächst für eine Phase von vier Jahren gefördert.
Die ZSBA soll Antragsteller vor und während dem Anerkennungsverfahren beraten, begleiten und ihre Anträge an die zuständigen Behörden weiterleiten. Sie ist laut Bundesregierung jedoch nur „ein unverbindliches Serviceangebot und keine einheitliche oder zuständige Stelle“.