Out-Law Analysis Lesedauer: 2 Min.
14 Feb 2022, 8:41 am
Bislang wurden in Deutschland sowohl das Human- als auch das Tierarzneimittelrecht national und einheitlich im Arzneimittelgesetz geregelt. Seit dem 28. Januar dieses Jahres sind die beiden Rechtsgebiete nun getrennt: Das Tierarzneimittelrecht wurde ausgegliedert und wird nun im Wesentlichen durch die in allen Mitgliedsstaaten unmittelbar geltende EU-Tierarzneimittelverordnung und das neue deutsche Tierarzneimittelgesetz geregelt.
Anlass der Neuordnung war das Bestreben des europäischen Normgebers, einen modernen und einheitlichen Rechtsrahmen für Tierarzneimittel zu schaffen, der dem wissenschaftlichen Fortschritt, den aktuellen Marktbedingungen und der wirtschaftlichen Realität entspricht. Dabei sollen ein hohes Schutzniveau für Tiergesundheit, Tierschutz und Umwelt sowie der Schutz der öffentlichen Gesundheit gewährleistet werden.
Entsprechend wurden bei Verabschiedung der EU-Tierarzneimittelverordnung mehrere Ziele festgelegt. Zu ihnen zählt, den europäischen Binnenmarkt für Tierarzneimittel zu harmonisieren und zu stärken sowie den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Ferner sollen Innovationen gefördert und Anreize gesetzt werden, um die Verfügbarkeit von Tierarzneimitteln zu erhöhen. Außerdem sollen Antibiotikaresistenzen weiter bekämpft werden.
Das neue deutsche Tierarzneimittelgesetz füllt im Wesentlichen den Spielraum aus, den die EU-Tierarzneimittelverordnung den nationalen Normgebern eingeräumt hat. Es soll für den sicheren Verkehr mit Tierarzneimitteln und veterinärmedizinischen Produkten – einer neuen Kategorie von Produkten – sorgen und deren Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit sicherstellen.
Die Neuregelungen führen allein schon wegen der Aufspaltung in unionsrechtliche und nationale Vorschriften zu erhöhter Komplexität. Es werden sich viele neue Rechtsfragen stellen. Insgesamt wird das Tierarzneimittelrecht aber einheitlicher, transparenter und moderner und dürfte sich mit der Zeit bewähren.
Nach der EU-Tierarzneimittelverordnung sind Zulassungen nunmehr sofort und unbefristet gültig. Zudem werden die Tierarzneimittel nach der Zulassung kontinuierlich im Rahmen des sogenannten Signalmanagements überwacht. Ausnahmen gelten bei Zulassungen für begrenzte Märkte und Zulassungen unter außergewöhnlichen Umständen. Hier sind Überprüfungen alle fünf Jahre beziehungsweise jährlich vorgesehen.
Standardzulassungen, wie sie früher für Tierarzneimittel erteilt wurden, bei denen die erforderliche Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erwiesen und eine Gefährdung von Mensch oder Tier nicht zu befürchten waren, gibt es nicht mehr.
Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) richtet drei neue Datenbanken ein: eine Produktdatenbank zur Speicherung aller zugelassenen Tierarzneimittel, eine Pharmakovigilanz-Datenbank zur Meldung und Erfassung von Fällen, in denen der Verdacht auf unerwünschte Ereignisse besteht, und eine Herstellungs- und Großhandelsvertriebsdatenbank, in der unter anderem Angaben zur Erteilung, Aussetzung oder dem Ruhen oder Widerruf der Erlaubnisse für die Herstellung und den Großhandelsvertrieb durch die zuständigen Behörden gespeichert werden.
Verschreibungspflichtige Tierarzneimittel dürfen, mit wenigen Ausnahmen, nicht versandt werden, und zwar weder innerhalb von Deutschland noch innerhalb der Europäischen Union. Nicht verschreibungspflichtige, aber apothekenpflichtige Tierarzneimittel dürfen von Apotheken und Tierärzten im Rahmen ihres tierärztlichen Dispensierrechts versandt werden. Frei verkäufliche Tierarzneimittel dürfen von Apotheken, Tierärzten und Einzelhändlern mit Sachkunde innerhalb Deutschlands und darüber hinaus innerhalb der gesamten Europäischen Union versandt werden.
Die Regeln für den Parallelimport beruhten bislang im Wesentlichen auf Richterrecht. Die EU-Tierarzneimittelverordnung schafft eine neue Rechtsgrundlage: Für den Zweck des Parallelhandels mit Tierarzneimitteln muss sichergestellt werden, dass das Tierarzneimittel, das aus einem Mitgliedsstaat (Bezugsmitgliedsstaat) bezogen wird und in einem anderen Mitgliedsstaat vertrieben werden soll (Bestimmungsmitgliedsstaat), die gleiche Herkunft hat wie das Tierarzneimittel, das in dem Bestimmungsmitgliedsstaat zugelassen ist. Tierarzneimittel haben dann die gleiche Herkunft, wenn sie insgesamt vier Bedingungen erfüllen, darunter unter anderem dieselbe Darreichungsform. Die EU-Tierarzneimittelverordnung enthält darüber hinaus weitere Vorgaben, darunter die Pflicht, den Zulassungsinhaber über den Parallelimport zu informieren.
Die sogenannte Umwidmungskaskade wird flexibler. Danach darf ein Tierarzt, soweit die notwendige arzneiliche Versorgung von Tieren ansonsten ernstlich gefährdet wäre und eine unmittelbare oder mittelbare Gefährdung der Gesundheit von Mensch und Tier nicht zu befürchten ist, Tiere ausnahmsweise nach einem gestuften („kaskadenartigen“) Vorgehen mit Arzneimitteln behandeln, die nicht für das betreffende Anwendungsgebiet und/oder nicht für die betreffende Tierart und/oder nur für Menschen zugelassen sind. Nach der Neuregelung ist die Behandlung mit Arzneimitteln aus anderen Mitgliedstaaten oder sogar Drittstaaten möglich.
Der Einsatz von Antibiotika bei Tieren wird eingeschränkt und kontrolliert, um die Entstehung und Verbreitung von Antibiotikaresistenzen zu begrenzen. Beispielsweise ist es untersagt, Antibiotika bei bestimmten Tiergruppen prophylaktisch anzuwenden. Auch ist es verboten, bei Tieren bestimmte Antibiotika zu verwenden, die der Behandlung von Menschen vorbehalten sind. Zusätzlich werden die Meldung und Erfassung der Antibiotikaverbrauchsmengen bei bestimmten Tierarten vorgeschrieben.