Out-Law Guide Lesedauer: 4 Min.
27 Oct 2021, 8:14 am
Produkte, die mit Nachhaltigkeits-Claims beworben werden, erfreuen sich bei den Kunden wachsender Beliebtheit. Wer mit Nachhaltigkeit wirbt, muss allerdings das Wettbewerbsrecht und andere Vorschriften berücksichtigen.
Verbraucher achten beim Kauf von Produkten immer häufiger darauf, dass diese die Umwelt schonen und nachhaltig produziert wurden. Mit entsprechenden Werbebotschaften versuchen Unternehmen, ihre ökologischen und sozialen Bemühungen sichtbar zu machen, und erhoffen sich hiervon nicht zuletzt auch einen Marktvorteil. Jedoch gibt es eine Reihe von rechtlichen Fallstricken, die frühzeitig berücksichtigt werden müssen, damit Unternehmen nicht unter den Verdacht des „Greenwashings“ geraten. Andernfalls könnten neben gravierenden Reputationsschäden auch Unterlassungsklagen von Wettbewerbern und Verbänden sowie der Rückruf von Produkten auf das betroffene Unternehmen zukommen. Zudem könnten Wettbewerber auch Schadensersatzansprüche stellen – ab Mai 2022 kommen sogar Schadensersatzansprüche von Verbrauchern hinzu, die im Wege von Massenklagen geltend gemacht werden könnten.
Beim Werben mit Nachhaltigkeit gibt es je nach Branche und Produkt eine Reihe von Regularien, die es zu beachten gilt. So regelt beispielsweise die Öko-Verordnung der EU, wann die Begriffe „bio“ und „öko“ für Lebensmittel verwendet werden können, die deutsche Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung legt fest, wie der Energieverbrauch von Haushaltsgeräten gekennzeichnet werden darf und die BaFin hat jüngst eine Richtlinie zu den Kriterien für nachhaltige Investmentvermögen konsultiert. Daher ist es entscheidend, dass sich Unternehmen, die mit der Nachhaltigkeit ihrer Produkte werben wollen, frühzeitig über etwaige Vorschriften in ihrem Bereich informieren.
Neben solchen branchenspezifischen Regeln kann auch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) auf Waren und Dienstleistungen angewendet werden, die mit Nachhaltigkeits-Claims beworben werden. Diesbezüglich ist das Irreführungsverbot die zentrale Vorschrift: Es besagt, dass man keine unwahren oder täuschenden Angaben machen darf. Es ist allerdings auch möglich, in die Irre zu führen, indem man etwas verschweigt – auch das ist verboten, denn laut UWG darf man keine wesentlichen Informationen vorenthalten.
Im Zusammenhang mit dem Begriff der Nachhaltigkeit wirft dies jedoch eine ganze Reihe von Fragen auf: Was bedeutet „nachhaltig“? Wann ist der Begriff unwahr? Wann täuschend? Wann werden wesentliche Angaben vorenthalten?
Bisher beziehen sich nur wenige Gerichtsurteile auf das Thema „Nachhaltigkeit“, allerdings gibt es eine gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu umweltbezogener Werbung. Diese Rechtsprechung lässt sich auf die Werbung mit Nachhaltigkeit übertragen. Auf dieser Basis kann man festhalten: Werbung mit Nachhaltigkeit ist grundsätzlich zulässig, nicht zuletzt auch, weil durch solche Werbung der Umweltschutz gefördert und der Verbraucher informiert wird.
Allerdings haben solche Werbeaussagen eine starke emotionale Werbekraft und die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind komplex. Zugleich gehen die Gerichte davon aus, dass beim Publikum wenig Wissen über die maßgeblichen naturwissenschaftlichen Zusammenhänge vorhanden ist.
Daher unterliegt die Werbung mit Nachhaltigkeit – wie jede umweltbezogene Werbung - strengen Anforderungen und weitgehenden Aufklärungspflichten. Unspezifische Claims sind unzulässig. Das bedeutet allerdings nicht, dass in der Werbung Alles und Jedes mit einem Sternchen versehen und im Kleingedruckten detailliert erläutert werden muss. Maßgebend ist die durch die jeweilige Werbung hervorgerufene Erwartung seitens der Verbraucher. Der Nachhaltigkeits-Claim muss aber substantiiert werden, und er muss zutreffend sein.
Wird beispielsweise mit dem Claim „Co2-neutral“ oder „klimaneutral“ geworben, muss die CO2-Bilanz des Produktes einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz (OLG Koblenz, Az. 9 U 163/11) aus dem Jahr 2011 zufolge auch wirklich ausgeglichen und der mit dem Produkt verbundene CO2-Ausstoß vollständig kompensiert sein. Allein die Aussage, dass Bäume gepflanzt wurden, genügte dem OLG Koblenz nicht als Nachweis für den erbrachten CO2-Ausgleich.
Das Oberlandesgericht Stuttgart entschied 2018, dass ein Hersteller von ökologischen Reinigungsmitteln seine Spülmittelflasche, Ocean Bottle genannt, nicht mehr mit dem Claim „Hergestellt mit 50% Plastikmüll aus dem Meer“ bewerben darf. Das Gericht hielt die Werbung für irreführend, da es möglich sei, dass der Müll nicht ausschließlich aus dem Meer, sondern vom Strand stamme.
Ein Weidemilchersteller hingegen versah seine Milchpackung mit einer Grafik, die auf einen 71 Prozent niedrigeren CO2-Ausstoß hinwies. Eine Fußnote machte deutlich, dass sich dies nicht auf die Milch, sondern lediglich auf die Verpackung bezog. Daher kam das Verwaltungsgericht Düsseldorf im März dieses Jahres zu dem Urteil, dass die Werbung nicht irreführend sei. Es nahm an, dass man von einem Durchschnittsverbraucher, der angemessen gut unterrichtet und angemessen aufmerksam und kritisch ist, erwarten könne, dass er die Fußnote liest und versteht.
Was also tun, wenn man Produktentwicklern und Marketingabteilungen einen Leitfaden für die Werbung mit Nachhaltigkeit an die Hand geben möchte? Hier lohnt eventuell ein Blick nach Großbritannien. Die dortige Competition & Markets Authority (CMA) ist auch dafür zuständig, Verbraucher vor unlauterem Wettwerber zu schützen, also für den Bereich, der bei uns vom UWG abgedeckt wird.
Die CMA hat kürzlich nicht nur einen umfangreichen „Green Claims Code“ veröffentlicht, sondern auch eine Checkliste mit 13 Punkten, die in nicht-juristischer Sprache zusammenfassen, worauf zu achten ist, will man irreführende Werbung mit Nachhaltigkeit vermeiden. Diese Checkliste eignet sich für den Einstieg ins Thema, um bei der Entwicklung von Produkten und Werbekampagnen alle Beteiligten von Anfang an mit ins Boot zu holen. An der juristischen Prüfung vor dem Marktgang kommt man dennoch nicht vorbei, weil die rechtliche Zulässigkeit des konkreten Claims sehr stark von den Umständen des Einzelfalls abhängt.
Um die Nachhaltigkeit ihrer Produkte zu bewerben, haben Unternehmen auch die Möglichkeit, allein oder im Verbund mit anderen Unternehmen ein Nachhaltigkeitssiegel zu etablieren. Ein solches Siegel kann für die Nachhaltigkeit der Produkte bürgen und auch visuell auf Verpackungen und in der Werbung verwendet werden. Vorausgesetzt, die kartellrechtlichen Grenzen werden
berücksichtigt, können die Unternehmen durch ihre Zusammenarbeit die hohen Kosten und Risiken für die Initiative teilen.
Der beste Weg, um ein Nachhaltigkeits-Siegel schützen zu lassen, ist der, eine Gewährleistungsmarke beim Deutschen Patent- und Markenamt oder beim Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum anzumelden. Der Inhaber der Gewährleistungsmarke muss allerdings eine neutrale Instanz sein, die garantiert, dass nur Produkte das Siegel erhalten, die die durch das Siegel beworbenen Eigenschaften aufweisen, und die korrekte Nutzung des Siegels überwacht. Die Bedingungen für die Benutzung der Gewährleistungsmarke, also die Nachhaltigkeitskriterien, müssen in einer Markensatzung niedergelegt sein. Diese Markensatzung ist öffentlich im Markenregister einsehbar und schafft auf diese Weise zusätzliches Vertrauen in das Nachhaltigkeitssiegel.
Out-Law News
22 Feb 2021