Out-Law News Lesedauer: 3 Min.
21 Sep 2020, 9:44 am
Der Bundesrat hat am Freitag über das geplante VerSanG abgestimmt. Das Gesetz soll die Haftung von Unternehmen in Fällen von Wirtschaftskriminalität neu regeln. Wie der Bundesrat mitteilt, fand die ursprünglich von zwei Fachausschüssen vorgeschlagene Generalablehnung des Entwurfs nicht die erforderliche absolute Mehrheit im Plenum. Stattdessen drängt der Bundesrat darauf, dass der Entwurf überarbeitet werden soll.
„Im Interesse der Wirtschaft und der Justiz wäre es begrüßenswert, wenn das federführende Ministerium die Anregungen des Bundesrates aufgreift und den Entwurf überarbeitet“, so Dr. Eike W. Grunert, Experte für Compliance bei Pinsent Masons, der Kanzlei hinter Out-Law. „Ob dies geschehen wird, steht indes auf einem anderen Blatt.“
Geprüft werden soll vor allem, ob die vorgesehenen Verantwortlichkeiten und Sanktionen kleinere und mittlere Unternehmen überfordern. Zudem fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, den verfahrensrechtlichen Teil des Entwurfs zu überarbeiten, damit das Sanktionsverfahren effektiver und weniger missbrauchsanfällig wird. Der aktuelle Gesetzesentwurf steht unter anderem dafür in der Kritik, dass seine Neuregelungen die Justiz überlasten könnten. Aus diesem und anderen Gründen hatten der Rechts- und der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates dem Bundesrat vor der Abstimmung empfohlen, den Gesetzesentwurf zum geplanten VerSanG abzulehnen.
Die beiden Ausschüsse sahen gravierende Mängel in dem Gesetzesentwurf, den das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) im Juni veröffentlicht und den das Bundeskabinett anschließend mit nur marginalen Änderungen in den Bundesrat eingebracht hatte.
„In Anbetracht der Ressorteinigung im Frühjahr und dem raschen Tempo seitdem kam der harte Gegenwind aus dem Rechts- und Wirtschaftsausschuss des Bundesrates durchaus überraschend“, so Dr. Grunert. „Die Empfehlung zur Ablehnung des Gesetzes durch die Ausschüsse des Bundesrates formulierte wichtige Kritikpunkte und enthielt dazu zutreffende Anregungen.“
„Zu den Kritikpunkten gehörte die zu erwartende Überlastung der Staatsanwaltschaften, unter anderem durch das vorgesehene Legalitätsprinzip“, so Dr. Grunert. Demnach müsste die Staatsanwaltschaften stets ein Verfahren einleiten, sobald sie von einer möglichen Straftat Kenntnis erlangen, durch die Pflichten, die den Verband treffen, verletzt worden sind oder durch die der Verband bereichert worden ist oder werden sollte. Aktuell liegt es im Ermessen der zuständigen Behörden, ob und in welcher Form gegen Delikte vorgegangen wird. „Außerdem wurde auch die Ausweitung auf Auslandsstraftaten durch die Ausschüsse kritisiert, sowie die fehlende Berücksichtigung angemessener Compliance-Maßnahmen bei der Beurteilung der Sanktionierungswürdigkeit des Verbandes.“
In der Empfehlung der Ausschüsse hieß es konkret: „Der Gesetzentwurf genügt den Anforderungen an ein effektives und für die Verfolgungsbehörden handhabbares Unternehmenssanktionsrecht nicht, er würde im Falle seines Inkrafttretens zu einer massiven Überlastung der Staatsanwaltschaften und Gerichte und damit im Ergebnis zu einer Blockade der knappen Ressourcen der Justiz führen.“
Im Vorfeld hatten bereits mehrere Wirtschafts- und Anwaltsverbände kritisiert, die vorgesehenen Sanktionen gegen Unternehmen seien unverhältnismäßig und nicht notwendig, insbesondere die Regelungen zu internen Untersuchungen seien ungeeignet.
Der Gesetzesentwurf sieht vor, die Sanktionsmöglichkeiten bei Unternehmensstraftaten zu verschärfen und zusätzliche Anreize für Compliance-Maßnahmen zu schaffen: Für einen Verband mit einem durchschnittlichen weltweiten Gruppen-Jahresumsatz von mehr als hundert Millionen Euro könnte die Verbandsgeldsanktion demnach bis zu zehn Prozent dieses Umsatzes betragen. Für Unternehmen mit einem niedrigeren Jahresumsatz würde die Höhe der Verbandsgeldsanktion bis zu zehn Millionen Euro betragen. Das Bemühen des Verbands, die Straftat aufzudecken und den Schaden wiedergutzumachen, kann die Verbandssanktion laut Gesetzesentwurf verringern. Auch getroffene Compliance-Maßnahmen, die künftig Straftaten vermeiden und aufdecken sollen, können sanktionsmindernd berücksichtigt werden.
Das neue Gesetz soll ausschließlich für Verbände gelten, „deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist.“ Gemeinnützige Organisationen wären somit nicht betroffen. Auch bei bloßen Ordnungswidrigkeiten soll das neue Gesetz nicht angewendet werden.
Der Entwurf beinhaltet zwei Arten von Verbandssanktionen: die Verwarnung mit Sanktionsvorbehalt und die Verbandsgeldsanktion in Höhe von zehn Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes oder bis zu zehn Millionen Euro bei Unternehmen mit einem Jahresumsatz unter 100 Millionen Euro.
„Der Gesetzgeber sollte die von den Bundesratsausschüssen formulierten, gewichtigen Kritikpunkte zum Anlass nehmen, den Entwurf nochmals zu überprüfen und nachzubessern“, so Dr. Grunert. „Im Interesse rechtstreuer Unternehmen wäre es insbesondere wünschenswert, wenn angemessene Compliance-Maßnahmen schon auf Tatbestandsebene zum Ausschluss der Sanktionierung des Unternehmens führen können, anstatt diese erst bei der Strafzumessung zu berücksichtigen.“
Wie das Handelsblatt berichtet, teilte das BMJV mit, die Regierung werde nach der Entscheidung des Bundesrates auf die Bedenken gegen das Gesetz reagieren.
Aktualisiert: Dieser Artikel wurde am 21.9.2020 aktualisiert, um Informationen zur Abstimmung des Bundesrats aufzunehmen.
Out-Law News
18 Jun 2020