Out-Law News Lesedauer: 1 Min.
26 Oct 2022, 11:12 am
Der Bundestag hat in der vergangenen Woche Änderungen im Sanierungs- und Insolvenzrecht gebilligt, um Unternehmen in der gegenwärtigen Energie- und Rohstoffkrise vor einem übereilten Insolvenzverfahren zu schützen. Durch die gesetzlichen Neuregelungen soll unter anderem der Prognosezeitraum für die Überschuldungsprüfung von zwölf auf vier Monate verkürzt werden. Das würde bedeuten, dass überschuldete, aber noch zahlungsfähige Unternehmen keinen Insolvenzantrag stellen müssten, wenn ihr Fortbestand für weitere vier Monaten überwiegend wahrscheinlich ist.
Durch die Verkürzung soll vermieden werden, dass Unternehmen aufgrund allgemeiner Unsicherheiten, die alle Marktteilnehmer treffen, in ein Insolvenzverfahren gezwungen werden. Außerdem sollen die Planungszeiträume für Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsplanungen von sechs auf vier Monate verkürzt werden. Ferner sollen überschuldete Unternehmen künftig bis zu acht Wochen Zeit haben, um einen Insolvenzantrag zu stellen. Bisher muss dies binnen sechs Wochen geschehen, andernfalls droht eine Haftung wegen Insolvenzverschleppung.
„Es ist zu begrüßen, dass die Insolvenzantragspflicht für zahlungsunfähige Unternehmen bestehen bleibt und lediglich die Prognosefrist für die Überschuldung angepasst wird“, betont Dr. Attila Bangha-Szabo, Experte für Insolvenzrecht bei Pinsent Masons. „So wird die Gefahr begrenzt, dass illiquide Unternehmen auf Kosten ihrer Geschäftspartner weiter wirtschaften dürfen.“
Im September hatte Bundesjustizminister Marco Buschmann die Änderungen initiiert. Anschließend wurden sie in das dritte Entlastungspaket der Bundesregierung (13-seitiges PDF/127 KB) mit aufgenommen. Die Bundesregierung begründete ihren Vorschlag mit den derzeitigen „Verhältnissen und Entwicklungen auf den Energie- und Rohstoffmärkten“. Diese belasten die finanzielle Situation von Unternehmen und machen es laut der Bundesregierung schwer, vorausschauend zu planen. Durch die Änderungen soll verhindert werden, dass Unternehmen übereilt einen Insolvenzantrag stellen, weil es ihnen in der aktuellen Lage schwerfällt, langfristige Prognosen zu machen. „Von der Neuregelung profitieren allerdings alle Unternehmen, unabhängig davon, ob ihre finanziellen Schwierigkeiten von der aktuellen Situation verursacht worden sind oder nicht“, so Dr. Bangha-Szabo.
Umgesetzt werden sollen die Regelungen im bisherigen Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetz, das zudem in „Sanierungs- und insolvenzrechtliches Krisenfolgenabmilderungsgesetz“ umbenannt werden soll. „Eine vollständige Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wie in der Corona-Krise wird es nicht geben. Die Neuregelung schützt insbesondere die Geschäftsleiter bei der Aufstellung ihrer Fortführungs- und Liquiditätsprognosen, indem der Prognosezeitraum reduziert wird“, so Bangha-Szabo. „Auf der anderen Seite gilt: Gläubiger und Geschäftspartner kriselnder Unternehmen müssen aufpassen, weil überschuldete Unternehmen, deren Fortführungsprognose absehbar innerhalb von fünf Monaten – oder mehr – negativ wird, nicht mehr Insolvenz beantragen müssen, sondern faktisch weiter wirtschaften dürfen.“
Bevor die Neuregelungen in Kraft treten können, müssen sie noch den Bundesrat passieren. Zudem wären sie nur befristet gültig, zum 1. Dezember 2023 sollen sie auslaufen.