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EU einigt sich auf Reform des europäischen Emissionshandels


Mitglieder der EU-Kommission, des EU-Parlaments und des Rates haben sich auf eine Verschärfung des europäischen Emissionshandelssystems geeinigt.

Unterhändler der Kommission, des Parlaments und des Rates der Europäischen Union haben eine politische Einigung über die Reform des Europäischen Emissionshandelssystems (EU-ETS) erzielt. Einen entsprechenden Vorschlag hatte die Europäische Kommission im Juli 2021 im Rahmen ihres Fit-For-55-Klimapakets vorgelegt. Die Reform soll einen wesentlichen Teil dazu beitragen, dass die EU ihr Ziel erreicht, ihren Treibhausgasausstoß bis 2030 um 55 Prozent – verglichen mit dem des Jahres 1990 – zu reduzieren.

Unter anderem werden der Energiesektor, energieintensive Industriezweige sowie die Luftfahrt vom EU-ETS erfasst. Unternehmen, die zu den vom EU-ETS erfassten Branchen zählen, müssen für jede ausgestoßene Tonne an Treibhausgasen ein Emissionszertifikat der EU besitzen. Für eine bestimmte Menge an Emissionen werden ihnen Zertifikate kostenlos zugeteilt. Für Emissionen, die diese Menge überschreiten, müssen sie jedoch Zertifikate hinzukaufen. Dies soll für die betroffenen Unternehmen einen Anreiz setzen, ihren Treibhausgasausstoß zu reduzieren.

Mit der am vergangenen Wochenende erzielten Einigung soll die für Emissionszertifikate festgelegte Obergrenze für Emissionen aus den EU-ETS-Sektoren bis 2030 um 62 Prozent gegenüber dem Stand von 2005, dem Jahr der Einführung des EU-ETS, reduziert werden. Nach dem bestehenden Emissionshandelssystem wären es der Kommission zufolge lediglich 43 Prozent.

Das bisherige System sah eine jährliche Reduktion der Obergrenze des Treibhausgasausstoßes um 2,2 Prozent vor. Das neue System sieht nun in den Jahren 2024, 2025, 2026 und 2027 eine jährliche Reduktion um 4,3 Prozent und in den Jahren 2028, 2029 und 2030 um jeweils 4,4 Prozent vor, indem entsprechend weniger Zertifikate ausgegeben werden. Zusätzlich wird die Obergrenze mittels Herabsetzungen um 90 Millionen Zertifikate in 2024 und 27 Millionen Zertifikate in 2026 reduziert. Darüber hinaus sollen über die Marktstabilitätsreserve (MSR) auch über 2023 hinaus jährlich bis zu 24 Prozent der überschüssigen Zertifikate aus dem Markt entfernt werden.

Die MSR trat erstmalig zum Jahr 2019 in Kraft und soll sowohl der Verknappung der vorhandenen Zertifikate als auch als Mechanismus zur Abfederung allzu sprunghafter Preisschwankungen dienen. Für die Bestimmung des entsprechenden Überschusses ist der bezüglich der Umlaufmenge aller Berechtigungen (Total Number of Allowances in Circulation, TNAC) festgelegte obere Schwellenwert maßgeblich. Dieser soll jedenfalls zunächst unverändert bei 833 Millionen Berechtigungen bleiben, obwohl hier künftig auch Berechtigungen aus dem Luftverkehr und später wohl auch dem Seeverkehr mitgezählt werden sollen.

Die Reduzierung von Zertifikaten wird voraussichtlich zu einem Anstieg des CO2-Preises führen, wahrscheinlich auch über die 100-Euro-Marke hinaus. Wichtige Details sind allerdings noch offen.

An den Verhandlungen der Vereinbarung beteiligte Parlamentarier äußerten die Erwartung, dass der CO2-Preis als Ergebnis dieser Maßnahmen deutlich ansteigen wird. Auch Christian Lütkehaus, Experte für Klima & Nachhaltigkeit/ESG bei Pinsent Masons, teilt diese Einschätzung, weist aber auch auf Unwägbarkeiten hin: „Natürlich sollte eine Reduzierung von Zertifikaten bei erster Betrachtung zu einem Anstieg des CO2-Preises führen, wahrscheinlich auch über die 100-Euro-Marke hinaus. Dies wäre ja grundsätzlich auch zu begrüßen; allerdings sind wichtige Details, beispielsweise im Zusammenhang mit dem CBAM sowie jeweils auf nationaler Ebene noch anstehenden oder möglichen Entscheidungen, noch offen und wir sehen aktuell auch, welchen Einfluss geopolitische Entwicklungen auf maßgebliche Faktoren haben können“.

Für die EU-ETS-Sektoren, die zugleich unter den geplanten CO2-Grenzausgleichmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism/CBAM) fallen -  darunter die Bereiche Eisen und Stahl, Zement, Düngemittel, Aluminium, Elektrizität und Wasserstoff - sieht die Einigung zudem vor, dass die Zuteilung kostenfreier Zertifikate ab 2026 stufenweise ausläuft, bis 2034 dann gar keine kostenlosen Zertifikate mehr ausgegeben werden. Parallel zum Auslaufen der kostenlosen Zertifikate soll der CBAM in diesen Bereichen eingeführt werden, wobei er in der Zeit von 2026 bis 2034 nur für den Anteil an Emissionen gelten soll, der nicht von den kostenlosen Zertifikaten abgedeckt wird.

Erst in der vergangenen Woche wurde eine politische Einigung über den CBAM erzielt. Der CBAM sieht vor, dass die EU bestimmte Importwaren mit einer CO2-Abgabe belegt, wenn sie aus Ländern stammen, deren Klimaschutzmaßnahmen nicht dem Klimaschutz-Niveau in der EU entsprechen. Unternehmen müssten dann für die Einfuhr dieser Güter Zertifikate kaufen, die die Menge an CO2 widerspiegeln, die bei ihrer Produktion ausgestoßen wurde.

Durch den CBAM sollen Wettbewerbsnachteile der EU-Industrie ausgeglichen werden, die ihr andernfalls durch die steigenden Kosten für Emissionsrechte entstehen würden. So soll durch das neue System letztlich auch verhindert werden, dass sich die Produktion aus der EU in andere Länder verlagert (das sogenannte Carbon Leakage), die keinen Emissionshandel haben und daher eine kostengünstigere Produktion ermöglichen.

Vorläufig ungeklärt bleibt jedoch, wie sich die Verlagerung der Produktion von Exportwaren ins EU-Ausland vermeiden lässt. Die Einigung sieht allerdings vor, dass die Kommission bis 2025 das Risiko hierfür bewertet. Auch soll sie, wenn nötig, einen Legislativvorschlag vorlegen, der dieses Risiko minimiert und im Einklang mit den Regeln der Welthandelsorganisation steht.

Auch für den Luft- und Seeverkehr sieht die Einigung neue Maßnahmen vor:

Im Luftverkehr soll die Zuteilung kostenloser Zertifikate zunächst ab 2024 reduziert werden und 2026 dann ganz auslaufen. Außerdem wird die grundsätzliche Möglichkeit vorgesehen, zu einem späteren Zeitpunkt nicht nur Flüge zu erfassen, die  im Europäischen Wirtschaftsraum (EU, Island, Norwegen und Lichtenstein) starten und im Europäischen Wirtschaftsraum, der Schweiz oder Großbritannien landen, sondern auch alle in der EU startenden oder landenden Langstreckenflüge.

In der Schifffahrt sollen Reedereien ab 2024 für 40 Prozent ihrer CO2-Emissionen Zertifikate besitzen, im Jahr 2025 schon für 70 Prozent und ab 2026 dann für sämtliche Emissionen.

Für Kraftstoffe, die im Straßenverkehr oder zum Heizen genutzt werden, sieht die erzielte Einigung zudem vor, ein eigenes Emissionshandelssystem (EU-ETS II) zu schaffen. Das eigenständige Emissionshandelssystem soll 2027 eingeführt werden, den CO2-Preis entrichten sollen dann die Unternehmen, die die Kraftstoffe liefern. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz teilte jedoch mit, dass die Preise von den Brennstoffhändlern an die Verbraucher weitergegeben werden sollen, um die notwendigen Klimaschutzanreize zu erzielen. In Deutschland gibt es bereits ein vergleichbares System, das 2021 mit dem Brennstoffemissionshandelsgesetz eingeführt wurde.

Im Gegensatz zum ETS I soll der Preis im ETS II allerdings einem Korrekturmechanismus unterliegen: Liegen die Kosten über einen gewissen Zeitraum über 45 Euro pro Tonne, sollen zusätzliche Zertifikate ausgegeben werden, was dazu führen würde, dass der Preis sinkt.

Um Haushalte und Kleinstunternehmen vor finanzieller Überlastung durch steigende Kosten für Benzin und Heizung zu schützen, soll ein neuer Klimasozialfonds geschaffen werde. Er soll schutzbedürftige Bürger und Kleinstunternehmen bei Investitionen in Energieeffizienzmaßnahmen wie Hausisolierung, Wärmepumpen, Solarzellen und Elektromobilität unterstützen. Außerdem soll er auch direkte Einkommensbeihilfen ermöglichen. Das Programm soll 2026 anlaufen, also noch vor Inkrafttreten des EU-ETS II. Es wird mit 65 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt finanziert und zu 25 Prozent durch die Mitgliedstaaten bezuschusst.

Bevor das neue System in Kraft treten kann, müssen das Parlament und der Rat die entsprechenden Rechtsakte noch formell annehmen.

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