Out-Law News Lesedauer: 2 Min.
13 Oct 2022, 3:29 pm
Wie Der Standard und andere Medien berichten, hat Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Klage gegen die Einstufung von Atomkraft und Erdgas als nachhaltig im Sinne der Taxonomie-Verordnung der EU eingereicht.
Durch die Taxonomie sollen Investitionen in nachhaltige Unternehmen und Projekte erleichtert werden, sodass mehr Geld in den Klima- und Umweltschutz fließt. Die Taxonomie-Verordnung und ihre delegierten Rechtsakte legen fest, welche Finanzinvestitionen als klimafreundlich vermarktet werden dürfen. So soll unter anderem „Greenwashing“ vermieden werden, bei dem Produkte fälschlicherweise als nachhaltig beworben werden.
Mit einem ergänzenden delegierten Rechtsakt zur Taxonomie-Verordnung hat die EU-Kommission Gas und Atomenergie nachträglich in das Taxonomie-System aufgenommen und somit als nachhaltig eingestuft – wenn auch nur als „Brückentechnologien für den Übergang“ und unter bestimmten Voraussetzungen. Da Parlament und Rat der EU nicht dagegen stimmten, ist der ergänzende delegierte Rechtsakt in Kraft getreten und gilt ab dem 1. Januar 2023.
Österreichs Klimaschutzministerin Leonore Gewessler teilte mit, sie halte die Taxonomie-Verordnung als Leitfaden für Investoren grundsätzlich nicht für falsch, sie wolle sich jedoch gegen Greenwashing von Atomkraft und Gas im Taxonomie-System wehren. Die Kommission sei nicht dazu berechtigt gewesen, Atomkraft und Gas nachträglich über den ergänzenden delegierten Rechtsakt als grüne Investments einzustufen, wo sie doch in der Verordnung selbst nicht als solche vorgesehen waren. Delegierte Rechtsakte gelten grundsätzlich als schwer zu stoppen, regeln aber meist auch nur Details einer bereits bestehenden EU-Gesetzgebung.
„Die Klage kommt nicht überraschend, da Österreich bereits vorab seine Ablehnung deutlich aufgezeigt hat“, so Christian Lütkehaus, Experte für Großprojekte im Energiesektor bei Pinsent Masons.
Die Klage der österreichischen Regierung umfasst laut Der Standard 16 Punkte, darunter auch das Argument, dass „Atomkraft keine Zukunftstechnologie sei und etwa die ungelöste Frage nach einem Endlager keine nachhaltige Einstufung möglich mache.“ Denn um im Sinne der Taxonomie als nachhaltig eingestuft zu werden, müsse ausgeschlossen sein, dass die Technologien, in die das Geld fließt, Umweltschäden in anderen Bereichen anrichten können. Österreich argumentiert, dass nukleare Katastrophen in Tschernobyl oder Fukushima eindeutig gezeigt hätten, dass man Umweltschäden, die durch Atomkraftwerke entstehen, nicht ausschließen könne. Auch der Krieg in der Ukraine und die Gefechte auf dem Gelände ukrainischer Reaktoranlagen verdeutlichen diese Gefahr, so die österreichische Regierung.
Das Taxonomie-System der EU klassifiziert Atomenergie und Gas als „zeitlich befristete Übergangstechnologien“: Investitionen in Reaktorneubauten, die bis 2045 genehmigt werden, sollen als nachhaltig gelabelt werden können, ebenso wie in Reaktoren mit Laufzeitverlängerungen bis 2040. Die Anlagen müssten bestimmte Sicherheitsstandards erfüllen und die zuständigen Mitgliedsstaaten müssten zudem Pläne für ein Endlager für hoch-radioaktive Abfälle haben, das bis spätestens 2050 eingerichtet werden soll. Auch für Gaskraftwerke gelten besondere Bedingungen, was ihre Effizienz und die Möglichkeit angeht, sie später auf CO2-neutrale Technologien wie Wasserstoff umzustellen.
Die Zeit berichtet, die Regierung von Luxemburg habe bereits angekündigt, einen Antrag auf Streithilfe einzureichen, um sich der Klage Österreichs anzuschließen.
Im vergangenen Monat hatten außerdem mehrere Umweltschutzorganisationen, darunter der WWF, die Kommission aufgefordert, die Aufnahme von Erdgas in die Taxonomie rückgängig zu machen, und andernfalls mit einer Klage vor dem EuGH gedroht.
Auch die deutsche Bundesregierung lehnt den ergänzenden delegierten Rechtsakt in seiner jetzigen Form ab. Am 21. Januar diesen Jahres hatte sie sich in einer Stellungnahme gegen die Aufnahme von Atomkraft in die EU-Taxonomie ausgesprochen, jedoch bedingt für eine Aufnahme von Erdgas. Bislang konnte sich die Ampel-Koalition nicht darauf einigen, eine Klage gegen den ergänzenden delegierten Rechtsakt anzustrengen.
Out-Law Analysis
25 Jan 2022