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Rückgang von Unternehmensinsolvenzen ist „kein Zeichen einer gesunden Wirtschaft“


Weniger Unternehmensinsolvenzen in Deutschland, zugleich Anstieg der Summe der Gläubigerforderungen: Experten sehen hohe Insolvenzgefahr für Mittelstand und Großunternehmen.

Wie das Statistische Bundesamt meldet, gab es im ersten Halbjahr 2020 6,2 Prozent weniger angemeldete Unternehmensinsolvenzen als im ersten Halbjahr 2019. Insgesamt beantragten im ersten Halbjahr dieses Jahres 9 006 Unternehmen Insolvenz. „Die wirtschaftliche Not vieler Unternehmen durch die Corona-Krise spiegelt sich somit bislang nicht in einem Anstieg der gemeldeten Unternehmensinsolvenzen wider“, so das Statistische Bundesamt.

Auch für den August 2020 zeigen die vorläufigen Angaben zu den eröffneten Regelinsolvenzen wie bereits in den vorangegangenen Monaten eine deutliche Abnahme an Verfahren. Im Vergleich zum August 2019 sank die Zahl der eröffneten Regelinsolvenzverfahren um 38,9 Prozent. Den Grund dafür sehen Experten darin, dass die Insolvenzantragspflicht für Unternehmen seit dem 1. März 2020 ausgesetzt ist.

„Der Insolvenzrückgang ist eine Folge der politischen Maßnahmen, die zu Beginn der Krise ergriffen wurde, und kein Zeichen für eine gesunde Wirtschaft“, so Dr. Attila Bangha-Szabo, Experte für Insolvenzrecht bei Pinsent Masons, der Kanzlei hinter Out-Law. „Da die deutsche Regierung die Insolvenzantragspflicht bis Ende September aufgehoben hat, wurden viele Insolvenzen verschoben. Die tatsächlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die deutsche Wirtschaft werden sich wohl erst zu einem späteren Zeitpunkt zeigen.“

Um zu verhindern, dass von der Corona-Krise betroffene Unternehmen nur deshalb Insolvenz anmelden müssen, weil die vom Staat beschlossenen Hilfen nicht rechtzeitig bei ihnen ankommen, hat die Bundesregierung die Insolvenzantragspflicht bis 30. September dieses Jahres für all jene Unternehmen ausgesetzt, deren Insolvenz auf den Folgen der Krise beruht. Derzeit arbeitet die Bundesregierung an einer beschränkten Verlängerung dieser Regel.

Laut Statistischem Bundesamt gab es die meisten Unternehmensinsolvenzen im ersten Halbjahr 2020 im Wirtschaftsbereich Handel mit 1 485 Fällen, dicht gefolgt von Unternehmen des Baugewerbes mit 1 462 Insolvenzanträge und dem Gastgewerbe mit 1 004 Fällen.

Die voraussichtlichen Forderungen der Gläubiger aus beantragten Unternehmensinsolvenzen stiegen nach Angaben der Amtsgerichte im ersten Halbjahr 2020 auf 16,7 Milliarden Euro. Im ersten Halbjahr 2019 hatten sie noch bei 10,2 Milliarden Euro gelegen. Dieser Anstieg der Forderungen bei gleichzeitigem Rückgang der Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist laut Statistischem Bundesamt darauf zurückzuführen, dass im ersten Halbjahr 2020 mehr wirtschaftlich bedeutende Unternehmen Insolvenz beantragt hatten als im selben Zeitraum 2019.

„Der Rückgang der Anzahl von Unternehmensinsolvenzen bei gleichzeitigem Anstieg der Summe der betroffenen Gläubigerforderungen zeigt, dass im Mittelstand und bei Großunternehmen eine stark erhöhte Insolvenzgefahr besteht“, so Dr. Bangha-Szabo.

Dies lasse zwar keine unmittelbaren Rückschlüsse auf die Zahl der sogenannten „Zombie-Unternehmen“ zu, die von Vielen befürchtetet werden, sollte aber trotzdem der Politik, die sich gerade mit der Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht beschäftigt, sehr zu denken geben, so Eike Fietz, Experte für Gesellschaftsrecht bei Pinsent Masons: „In Krisenzeiten veranlassen die CFOs der größeren Unternehmen oft, Zahlungen verzögert zu bearbeiten, um die eigenen Barbestände zu erhalten. Die Platitude „cash is king“ kennt jeder. Die Folge sind Zahlungsschwierigkeiten bei den Zulieferern, die oft ohnehin schon finanziell fragil sind.“

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