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Compliance mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: Die Uhr läuft


Eine Lieferkettenregelung der EU wurde erneut vertagt, doch das ist kein Grund für Unternehmen, bei der Compliance mit Sorgfaltspflichten auf Zeit zu spielen: Das nationale Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz tritt 2023 in Kraft, daran wird auch die neue Bundesregierung nichts ändern.

Die für diesen Monat geplante Veröffentlichung eines Entwurfs für eine Lieferkettenregelung der Europäischen Union verschiebt sich voraussichtlich bis März 2022. Die Regelung soll verbindliche Sorgfaltspflichten für Unternehmen in der EU einführen, sodass diese künftig überprüfen müssen, ob Menschenrechte und Umweltstandards bei ihren Zulieferern eingehalten werden.

Die Vorlage des Entwurfs scheiterte erneut an einer negativen Bewertung durch den EU-Ausschuss für Regulierungskontrolle (EU Regulatory Scrutiny Board). Dieser Ausschuss überprüft insbesondere die Folgenabschätzung, die die EU-Kommission zu neuen Rechtsakten vornehmen muss. Dabei werden die Auswirkungen von neuen Regulierungen auf Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt bewertet. Umstritten ist insbesondere, welche Klagemöglichkeiten etwaige Betroffene in Drittstaaten gegen Unternehmen aus Europa haben sollen, wenn letztere die Sorgfaltspflichten nicht einhalten. Auch ist noch strittig, inwieweit das Top-Management im Fall von Verstößen haften soll.

Rund 50 Nichtregierungsorganisationen (NGOs) haben die erneute Verzögerung der EU-Gesetzgebung kritisiert. Es sei „inakzeptabel“, dass die Europäische Kommission ein solch wichtiges Vorhaben zum dritten Mal verschiebe, heißt es in einem offenen Brief an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Zu den Unterzeichnern zählen Amnesty International, das European Center for Constitutional Rights (ECCR), die Initiative Lieferkettengesetz sowie Rainforest Alliance und der europäische Gewerkschaftsbund.

Deutsches Lieferketten(sorgfaltspflichten)gesetz ab 2023

Während die EU noch an ihrem Regelungsvorschlag feilt, wurde das deutsche Gegenstück dazu – das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) – bereits diesen Sommer beschlossen und wird ab 2023 stufenweise in Kraft treten. Es verpflichtet große deutsche Unternehmen sowie ausländische Unternehmen mit Zweigniederlassung in Deutschland dazu, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, damit sowohl sie selbst als auch ihre Zulieferer aus dem In- und Ausland bestimmte Umwelt- und Sozialstandards einhalten. Zudem müssen die Unternehmen jährlich über ihre Compliance mit dem Gesetz Bericht erstatten.

Es ist nicht zielführend, auf etwaige neue EU-Regelungen zu warten. Deren Inhalt und Inkrafttreten steht in den Sternen. Das deutsche Gesetz gilt und wird auch von der aktuellen Regierung mitgetragen.

Das neue Gesetz wird ab 2023 für Konzerne mit mindestens 3.000 Arbeitnehmern im Inland gelten. Ab 2024 erfasst es dann auch kleinere Unternehmen mit 1.000 oder mehr Mitarbeitern im Inland. Dabei werden auch Arbeitnehmer von Tochter- und Enkelgesellschaften, sowie gegebenenfalls auch Schwester- und deren Tochter- und Enkelgesellschaften mitgezählt, soweit ein nach dem Gesetz verpflichtetes Unternehmen bestimmenden Einfluss auf deren Geschäftsgebaren hat.

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz wirft bereits jetzt seinen Schatten voraus: Unternehmen sind gut beraten, hinreichende Vorkehrungen zur ordnungsgemäßen Erfüllung der gesetzlich vorgesehenen Sorgfaltspflichten möglichst zeitnah anzugehen und für deren Umsetzung einen großzügigen zeitlichen Puffer einzuplanen.

Koalitionsvertrag der Ampel bekennt sich zum LkSG

Die neue Bundesregierung aus SPD, GRÜNEN und FDP hat in ihrem Koalitionsvertrag bereits deutlich gemacht, dass sie hinter dem Gesetz der Vorgängerregierung steht. Gegebenenfalls wird sie es an mehreren Stellen noch nachbessern.

Konkret heißt es im Koalitionsvertrag von SPD, GRÜNEN und FDP unter dem Abschnitt Rohstoffe, Lieferketten und Freihandel: „Wir unterstützen ein wirksames EU-Lieferkettengesetz, basierend auf den UN-Leitprinzipien Wirtschaft und Menschenrechte, das kleinere und mittlere Unternehmen nicht überfordert. Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten wird unverändert umgesetzt und gegebenenfalls verbessert. Wir unterstützen den Vorschlag der EU-Kommission zum Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten. Wir unterstützen das von der EU vorgeschlagene Importverbot von Produkten aus Zwangsarbeit.“ Daraus lässt sich schließen, dass die Bundesregierung auch eine EU-weite einheitliche Lieferkettenregelung unterstützen wird.

Vorerst keine Verordnungen geplant

Viele Fragen rund um das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sind allerdings nach wie vor ungeklärt und werden bei Veranstaltungen und in Foren diskutiert. Das federführende Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird durch das Gesetz ermächtigt, in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWi) Verordnungen zu erlassen, insbesondere zur näheren Ausgestaltung der Unternehmenspflichten bei substantiierter Kenntnis von Menschenrechtsverletzungen oder Verstößen gegen den Umweltschutz bei mittelbaren Zulieferern, das Verfahren der Einreichung des jährlichen Lieferkettensorgfaltspflichtenberichts und dessen Prüfung, sowie das Verfahren für behördliche Kontrollen, Anordnungen und Maßnahmen. Solche Verordnungen könnten einige der noch offenen Fragen beantworten und die erhebliche Verunsicherung, die bei Unternehmen derzeit noch vorherrscht, bekämpfen.

Nach Aussage hochrangiger Mitarbeiter sieht das BMAS derzeit jedoch keine Notwendigkeit, von diesen Verordnungsermächtigungen Gebrauch zu machen. Auch sei das Gesetz insgesamt viel klarer, als zuweilen behauptet werde. Man wolle bewusst keine präzisen Vorgaben machen, damit die Unternehmen einen gewissen Ermessensspielraum haben, was den Aufbau einer wirksamen Compliance-Struktur angeht. Es seien jedoch branchenspezifische Handlungsanleitungen für das Frühjahr sowie eine allgemeine Handlungsanleitung für den Sommer 2022 geplant.

Das geplante Prüfkonzept des BAFA solle Anreize setzten für eine effektive Umsetzung, das Risikomanagement soll nicht in Papierwerk enden, sondern sich nach einer Bestandsaufnahme auf die wesentlichen Punkte konzentrieren.

Unternehmen müssen jetzt beginnen, die eigenen Systeme zu überprüfen und die Voraussetzungen für die Scharfschaltung des Gesetzes zu schaffen. Handlungsanweisungen in einigen Monaten können dabei zwar helfen, es sollte aber nicht auf sie gewartet werden – für eine rechtzeitige Umsetzung kann es dann schon zu spät sein.

Jährliche Lieferkettensorgfaltspflichtenberichte ab 2023/24

Im Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) soll eigens eine neue Abteilung entstehen, die die jährlichen Berichte der Unternehmen über die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten prüfen wird. Hier gebe es derzeit nur zwei Mitarbeiter, der Haushaltsbeschluss für weiteres Personal stehe noch aus. Nach Auffassung des BMAS werden Unternehmen mit 3.000 oder mehr Arbeitnehmern ihren Bericht spätestens vier Monate nach dem Schluss des Geschäftsjahres, welches im Kalenderjahr 2023 endet, beim BAFA einreichen müssen. Der Berichtszeitraum beginnt jedoch erst am 01.01.2023, Sachverhalte aus der Zeit davor müssen nicht berücksichtigt werden. Unternehmen mit 1.000 oder mehr Arbeitnehmern werden den Bericht spätestens vier Monate nach dem Schluss des Geschäftsjahres, welches im Kalenderjahr 2024 endet, einreichen müssen. Der Berichtszeitraum beginnt für sie am 01.01.2024.

Auswirkungen auf KMU

Es ist absehbar, dass das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz auch auf mittlere und kleine Unternehmen durchschlagen wird, obgleich es sie nicht direkt in die Pflicht nimmt.

Eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem umfangreichen Pflichtenkatalog des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes bleibt auch Unternehmen außerhalb des gesetzlichen Anwendungsbereichs dringend angeraten.

Es ist bereits zu erkennen, dass große Unternehmen die Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette vertraglich an kleine und mittlere Zuliefer-Unternehmen weiterreichen oder dies zumindest versuchen. Wollen KMUs nicht aus den Lieferketten großer Unternehmen ausgeschlossen werden, empfiehlt es sich, dass sie entsprechende Maßnahmen ergreifen und ihre Lieferketten künftig strenger auf Menschenrechtsverletzungen und umweltschädliches Verhalten hin kontrollieren – auch wenn sie derzeit gesetzlich noch nicht selbst dazu verpflichtet sind.

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