Out-Law Analysis Lesedauer: 5 Min.

Nachhaltige Unternehmensführung ist mehr, als im Bericht steht


ESG ist nicht nur ein Reporting-Thema, sondern vielmehr eine immer größere Herausforderung für Management, Vorstand und Aufsichtsrat. Neben rechtlichen Risiken und eventuellen Bußgeldern steht vor allem auch die Reputation des Unternehmens auf dem Spiel.

Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verpflichtet kapitalmarktorientierte Unternehmen, Informationen über die Nachhaltigkeit ihrer Tätigkeit detailliert offenzulegen.

Im Rahmen der CSRD wurden zudem die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) entwickelt. Sie legen Umfang und Struktur der Berichte fest.

Darüber hinaus werden zahlreiche Unternehmen auch über das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) der EU und die EU-Entwaldungsrichtlinie dazu verpflichtet, detailliert über bestimmte Nachhaltigkeits-Aspekte ihrer Tätigkeit zu berichten.

Allerdings hatten sowohl Bundeskanzler Olaf Scholz als auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck noch vor dem Aus der Ampel-Regierung angekündigt, die im LkSG vorgesehenen Berichtspflichten abzuschaffen und in die CSRD-Berichtspflichten übergehen zu lassen. Die Fraktionen von FDP und CDU/CSU fordern im Bundestag sogar die Aufhebung des LkSG und haben entsprechende Gesetzesentwürfe eingebracht.

ESG existiert nicht nur auf dem Papier, sondern beweist sich in der Praxis

Kapitalmarktorientierte Unternehmen müssen ab dem Jahr 2025 die CSRD umsetzen.  Das heißt, dass sie ihrer Nachhaltigkeitsinformationen detailliert offenlegen müssen – und zwar bereits für das Geschäftsjahr 2024. Ergänzt wird die CSRD durch die ESRS, die Umfang und Struktur der Berichte festlegen und eine Richtschnur für die Offenlegung der Geschäftstätigkeit in Bezug auf Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (Environmental Corporate Governance/ESG) bieten.

Im Wettbewerb kann es vorteilhaft sein, Pluspunkte im Bereich ESG zu sammeln und sich so von anderen Unternehmen abzuheben. Dabei kommt es allerdings nicht nur auf das ESG-Reporting, sondern auch auf die Umsetzung der formulierten ESG-Ziele an – diese ergeben sich im Übrigen nicht immer allein aus dem Reporting. Im Gegenteil: Sie hinken dem Reporting meist sogar hinterher. Dabei sollten Unternehmen bedenken, dass das Reporting hinterfragt und unter vielen Gesichtspunkten betrachtet und bewertet werden muss.

Welches Niveau ein Unternehmen in seiner Nachhaltigkeits-Performance erreicht, lässt sich vor allem an dessen Unternehmensführung ablesen. Der Begriff Unternehmensführung – oder auch Corporate Governancebezieht sich in seinem ursprünglichen Sinn nicht nur auf die Organisation und das Regelwerk eines Unternehmens, sondern beinhaltet auch die Strategie, nach der die Organisation ausgerichtet wird. Es gilt der Grundsatz „structure follows strategy“, auch wenn er in der Praxis vielfach umgedreht wird: „Grün“ kann ein Unternehmen nur werden, wenn es sich strategisch dazu entschieden hat und sich dementsprechend ausrichtet.

ESG existiert nicht nur auf dem Papier, sondern beweist sich in der Praxis. Eine entsprechende Compliance muss in der Unternehmenskultur verankert sein. Wer glaubt, ESG mit einem Bericht abtun zu können, wird den Anforderungen nicht gerecht werden. Eine rein opportunistische Darstellung wird schnell enttarnt.

Wer sich dazu entschließt, seine Organisation strategisch nach Nachhaltigkeitskriterien auszurichten, muss bei dieser Entscheidung alle Folgen mitbedenken:

  • Die Integration von ESG-Zielen in das Kerngeschäft erfordert eine Transformation, inhaltlich wie organisatorisch.
  • Ein sich ständig veränderndes Umfeld führt zu einem kontinuierlichen Anpassungsprozess.
  • International operierende Unternehmen begegnen großen Herausforderungen, insbesondere in Bezug auf die Einhaltung der erwarteten Standards von Partnern – je weiter entfernt von Europa, desto komplexer.
  • Die Führungskultur muss angeglichen werden.
  • Das Management muss bereit sein, Vorbild zu sein und Rechenschaft abzulegen.
  • Die Mitarbeiter müssen hinter dem Konzept stehen und dies mittragen.
  • Interne Regelwerke müssen angepasst werden.

Nachhaltige Unternehmensführung im Härtetest

Inwieweit die Corporate Governance „sustainable“, also nachhaltig, ist, lässt sich durch verschiedene Lackmus-Tests verifizieren:

  • Der ESG-Bericht wird in der Hauptversammlung hinterfragt. Die Antworten zu ESG-Themen müssen durch den Vorstand sofort und korrekt beantwortet werden. Ist der Vorstand – und das Back-Office – darauf eingestellt?
  • Wie hoch ist die Bereitschaft des Managements zur Anpassung des eigenen Verhaltens, beispielsweise durch Nutzung von E-Autos oder den Verzicht auf Flugreisen? Gibt es über die Standards hinaus eigene ESG-Ziele?
  • Aus organisatorischer Corporate-Governance-Sicht stellt sich weiterhin die Frage, ob mindestens ein Mitglied des Aufsichtsrats in ESG-Themen versiert sein sollte. Als Qualifikationsmerkmal für Aufsichtsratsmitglieder könnte dies in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats festgelegt werden. Wird dies gesetzlich bald verankert? Gibt es im Aufsichtsrat einen ESG-Ausschuss?
  • Sind die Aufsichtsratsmitglieder ausreichend unabhängig vom Management und neutral in ihren Entscheidungen? Ihre Unabhängigkeit ist eine Grundvoraussetzung für eine Einhaltung von ESG-Standards und selbst gesetzten ESG-Zielen.
  • Wie wird die Einhaltung der gesetzten Standards organisiert und konsequent – ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Auswirkungen – von Vorstand und Aufsichtsrat nachgehalten?
  • Fonds, die auf ESG-Standards Wert legen, werden zukünftig für die Einhaltung der ESG-Standards Nachweise verlangen, beispielsweise: Wie vielen Lieferanten wurden wegen Nichteinhaltung von ESG-Standards Lieferverträge gekündigt? Statistisch gesehen kann in vielen Industrien, die international Waren beziehen, die Antwort nicht “null“ lauten.
  • Identifizieren sich die Mitarbeiter mit der ESG-orientierten Ausrichtung und sehen sie dies auch als sinnvollen Zweck ihrer Tätigkeit an? Genügt ihnen das als motivatorischer „Purpose“?
  • Ist die Werbung schon frei von Greenwashing? Die Marketing-Bereiche für Werbung und Verpackungen müssen sich jetzt schon auf die am 26.3.2024 neu in Kraft getretene Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegenüber unlauteren Praktiken und durch bessere Informationen einstellen, die bis zum 27.3.2026 in nationales Recht umzusetzen ist. Umweltaussagen wie „grün“ oder „öko“ sind dann verboten. Die eventuellen Bußgelder, die sich nach dem Umsatz eines Unternehmens bemessen, treffen umsatzstarke, aber margenschwache Unternehmen wie den Handel unter Umständen sehr hart.

Echte Nachhaltigkeit geht über das Erfüllen der Mindestanforderungen hinaus

Wenn die Corporate Governance eines Unternehmens die ESG-Themen verinnerlicht hat und sich dazu bekennt, sollte es neben dem obligatorischen Reporting auch die Umsetzung und Erfolge bekanntmachen, um sich damit von jenen Mitbewerbern abzuheben, die lediglich das Nötigste und gesetzlich Vorgeschriebene tun:

  • Gibt es zusätzlich zum ESG-Reporting in den Quartalsberichten Updates zu berichtenswerten Erfolgen?
  • Achtet der Aufsichtsrat darauf, dass das Management die Effekte der Geschäftstätigkeit berücksichtigt und fordert er diesbezüglich Transparenz? Wird darüber im Bericht des Aufsichtsrats informiert?
  • Kann der Vorstand über eigenes ESG-Engagement berichten, hält er die Einhaltung der Ziele nach? Ist dies Teil des Vorstandsberichts?
  • Sind ESG-Themen in Analysten-Meetings ein Tagesordnungspunkt? Bedarf es über die Berichte hinausgehend zusätzlicher Informationen? Ist Investor Relations hierauf vorbereitet?
  • Wird über ESG ausführlich in Pressekonferenzen berichtet? Wird auf ESG-Aspekte vom Unternehmen aus in Interviews eingegangen?
  • Wird in Werbeanzeigen oder veröffentlichten Stellenangeboten (Print und Online) auf die ESG-Performance des Unternehmens hingewiesen?
  • Gibt es eine Beteiligung an Initiativen zur Förderung von ESG?
  • Wird in modernen Kommunikationskanälen über Verbesserungen berichtet – und in Social Media diskutiert?

ESG ist längst nicht mehr nur ein Reporting-Thema, sondern vielmehr eine immer wichtigere strategische und komplexe Aufgabe für Management, Vorstand und Aufsichtsrat. Neben rechtlichen Risiken und damit einhergehenden eventuellen Bußgeldern steht vor allen Dingen auch die Reputation des Unternehmens auf dem Spiel.

Eine erfolgreiche Sustainable Corporate Governance wird durch das Vorleben des Managements und ein entsprechendes Monitoring erzielt und die Performance durch die Stakeholder verifiziert.

Dabei sollte immer das Ziel sein: „Tue Gutes, meine es ernst und rede darüber“.

We are working towards submitting your application. Thank you for your patience. An unknown error occurred, please input and try again.