Out-Law Analysis Lesedauer: 3 Min.

Fusionskontrolle: 10. GWB-Novelle soll Mittelstand entlasten


Die 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist in Kraft getreten. Die Umsatzschwellen, die ausschlaggebend für eine Fusionskontrollanmeldung beim Bundeskartellamt sind, wurden erheblich erhöht. 

Obwohl sich die 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), auch bekannt als GWB-Digitalisierungsgesetz, in erster Linie auf missbräuchliche Verhaltensweisen in der Digitalwirtschaft konzentriert und die Durchsetzungsbefugnisse des Bundeskartellamtes (BKartA) in diesem Bereich stärkt, finden sich darin auch erhebliche Änderungen mit Auswirkung auf das Transaktionsgeschäft.

Bisher waren Zusammenschlussvorhaben beim BKartA grundsätzlich dann anzumelden, wenn die Beteiligten im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr weltweit Umsatzerlöse von mehr als 500 Millionen Euro und ein beteiligtes Unternehmen in Deutschland mehr als 25 Millionen Euro und ein anderes beteiligtes Unternehmen mehr als fünf Millionen Euro erwirtschaftet hatten.

Arkadius M. Strohoff

Rechtsanwalt, Associate

Durch die Anhebung der Schwellen wird die Anzahl der angemeldeten Verfahren deutlich zurückgehen.

Durch das neue Gesetz steigt die  

  • erste Inlandsumsatzschwelle von 25 auf 50 Millionen Euro und
  • die zweite Inlandsumsatzschwelle von fünf auf 17,5 Millionen Euro.

Über 1.200 Zusammenschlussvorhaben wurden 2020 bei der Bonner Behörde angemeldet. Das ist – im internationalen Vergleich – ein Spitzenwert, der nicht zuletzt auf die niedrigen Inlandsumsatzschwellen zurückzuführen war. Durch die Anhebung der Schwellen wird die Anzahl der angemeldeten Verfahren deutlich zurückgehen. So will der Gesetzgeber sowohl den Mittelstand als auch das BKartA selbst entlasten.

Der Regierungsentwurf ging von einer Reduzierung der Fallzahlen von über 20 Prozent aus. Tatsächlich dürfte die Zahl jedoch deutlich höher liegen, da diese Schätzung noch auf einer geplanten Erhöhung der Transaktionsschwellen von fünf auf zehn Millionen Euro und von 25 auf 30 Millionen Euro beruhte.

Fusionskontrolle im Krankenhausbereich

Im Krankenhaussektor ist politisch eine stärkere Spezialisierung und Bildung von medizinischen Zentren gewollt. Die Novelle sieht daher spezielle Regelungen für Krankenhausfusionen vor. Dies soll zu einer erleichterten Konsolidierung im Krankenhaussektor führen, die durch die Corona-Krise ohnehin beschleunigt werden dürfte.

Bestimmte Transaktionen in diesem Bereich werden zukünftig gänzlich von der Fusionskontrolle ausgenommen, ohne dass es auf Umsatz- oder Transaktionswertschwellen ankommt. Anders als in anderen Branchen besteht im Krankenhaussektor aufgrund des Systems der Fallpauschale kein klassischer Preiswettbewerb. Vor diesem Hintergrund wurde schon in der Vergangenheit diskutiert, ob Krankenhausübernahmen überhaupt unter die Fusionskontrolle fallen sollten. Mit dem neuen Gesetz entschied man sich für einen Kompromiss: Bis 2027 sind Fusionen unter bestimmten Voraussetzungen von der Prüfung durch das BKartA ausgenommen. Unter anderem müssen sie vom Bundesamt für Soziale Sicherung als „standortübergreifende Konzentration“ gefördert werden. Vollzogene Transaktionen sind dem BKartA anzuzeigen.

Strategischer Aufkauf von Wettbewerbern

Selbst wenn die allgemeinen Umsatzschwellen nicht erfüllt sind, kann eine Transaktion dennoch anzumelden sein: Konkret sieht das Gesetz vor, dass die Behörde Unternehmen mit einem weltweiten Gesamtumsatz von 500 Millionen Euro über drei Jahre hinweg verpflichten kann, alle zukünftigen Transaktionen, die bestimmte Wirtschaftszweige betreffen, anzumelden. Voraussetzung dafür ist aber auch, dass das Unternehmen über einen Marktanteil von 15 Prozent am Angebot oder der Nachfrage in diesem Wirtschaftsbereich verfügt und objektiv nachvollziehbare Anhaltspunkte für erhebliche Wettbewerbsbehinderungen in diesem Bereich vorliegen.  Zuvor muss das BKartA eine Sektoruntersuchung in dem relevanten Wirtschaftszweig durchführen.

Die Anmeldepflicht gilt für Zusammenschlüsse mit kleineren Unternehmen, die mehr als zwei Millionen Euro Umsatz im Jahr erzielt haben und davon mehr als zwei Drittel im Inland. Für die Beurteilung solcher Übernahmen gelten die gleichen Grundsätze wie bei anderen Zusammenschlüssen. Die Begründung zur Gesetzesnovelle geht davon aus, dass die neue Regelung zu höchstens ein bis drei Aufforderungsverfahren pro Jahr führt.

Verlängerung des Hauptprüfverfahrens

Das BKartA muss eine Transaktion innerhalb eines Monats nach Eingang der vollständigen Fusionskontrollanmeldung prüfen (Phase I) und, sofern wettbewerbliche Bedenken bestehen, in eine vertiefte Prüfung eintreten (Phase II). Kommt es künftig zu einer vertieften Prüfung, hat die Behörde nunmehr fünf statt der bisherigen vier Monate ab Eingang der vollständigen Anmeldung Zeit, eine Entscheidung zu treffen. Falls die Beteiligten Vorschläge für Bedingungen oder Auflagen zur Lösung wettbewerblicher Probleme anbieten, verlängert sich die Frist nach wie vor um einen Monat. So soll der wachsenden Komplexität von Fusionskontrollverfahren Rechnung getragen werden.

Keine Änderungen bei der Ministererlaubnis

Die im Regierungsentwurf noch geplante Änderung zur Ministererlaubnis ist in dem nun beschlossenen Gesetz ersatzlos gestrichen worden. Durch die Ministererlaubnis kann der Bundesminister für Wirtschaft und Energie eine vom BKartA untersagte Transaktion erlauben, wenn Wettbewerbsbeschränkungen durch gesamtwirtschaftliche Vorteile oder ein überragendes Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt werden können.

 

Erfahren Sie mehr über den generellen Inhalt der 10. GWB-Novelle, die neuen Kompetenzen des Bundeskartellamtes im Umgang mit großen Digitalkonzernen und darüber, wie Compliance-Maßnahmen sich in Zukunft auf Kartellbußgelder auswirken können.

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