Out-Law News Lesedauer: 3 Min.
16 Jul 2019, 12:00 am
Online-Unternehmen, die für ihren Geschäftsverkehr mit anderen Unternehmen eine Telefonnummer oder E-Mail-Adresse verwenden, müssen diese Kontaktinformationen nicht zwingend auch Verbrauchern zur Verfügung stellen, so das höchste Gericht der EU.
In einem Urteil aus der vergangenen Woche stellte der Europäische Gerichtshof (EuGH) klar, welche Informationen Online-Händler und E-Commerce-Plattformen nach geltenden EU-Verbraucherschutzbestimmungen Verbrauchern vor Vertragsabschluss zur Verfügung stellen müssen.
In einem aus Deutschland vorgelegten Verfahren wurde der EuGH um Klärung gebeten, welche Anforderungen das EU-Recht in diesem Bereich stellt. In diesem Verfahren beanstandete eine deutsche Verbraucherschutzorganisation die von Amazon angebotenen Möglichkeiten für eine Kontaktaufnahme durch Verbraucher.
Das EU-Verbraucherschutzrecht definiert, welche Informationen Unternehmen bereitstellen müssen, bevor sie Verträge mit Verbrauchern abschließen. Die Anforderungen an solche Informationen unterscheiden sich bei Fernabsatzverträgen oder Verträgen außerhalb von Geschäftsräumen von denen, die für andere Verträge zwischen Unternehmen und Verbrauchern gelten.
Nach den EU-Vorschriften müssen Unternehmen bei anderen als Fernabsatzverträgen oder Verträgen außerhalb von Geschäftsräumen Verbrauchern ihre Telefonnummer mitteilen.
Im Falle von Fernabsatzverträgen oder Verträgen außerhalb von Geschäftsräumen müssen Unternehmen dem Verbraucher jedoch noch eine Reihe von weiteren Informationen zur Verfügung stellen, darunter „die Anschrift des Ortes, an dem der Unternehmer niedergelassen ist, und gegebenenfalls die Telefonnummer, Faxnummer und E-Mail-Adresse des Unternehmers, damit der Verbraucher schnell Kontakt zu ihm aufnehmen und effizient mit ihm kommunizieren kann“.
Die Informationen müssen auf jeden Fall „in klarer und verständlicher Weise“ zugänglich gemacht werden.
In seinem Urteil bestätigte der EuGH, dass eine unbedingte Verpflichtung von Online-Händlern und E-Commerce-Plattformen, dem Verbraucher stets eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen oder gar einen Telefonanschluss, Faxanschluss oder ein E‑Mail-Konto neu einzurichten, damit die Verbraucher mit dem Unternehmer in Kontakt treten können, bei Auslegung geltenden EU-Rechts „unverhältnismäßig erscheint“.
Das Gericht erklärte, dass Unternehmen, die eine Telefon- oder Faxnummer haben, die sie für andere Zwecke als nur für die Kontaktaufnahme mit Verbrauchern verwenden, „Verbraucher nicht über diese Telefonnummer informieren, eine Telefon- oder Faxleitung bereitstellen oder eine neue E-Mail-Adresse erstellen müssen, damit die Verbraucher sie kontaktieren können“.
In solchen Fällen können Unternehmen ihren Kontaktinformationspflichten auf andere Weise nachkommen, so der EuGH. Dazu gehört das Angebot „eines elektronischen Kontaktformulars, durch das sich die Verbraucher über das Internet an die Unternehmer wenden können und über das sie eine schriftliche Antwort erhalten oder schnell zurückgerufen werden können“, so das Gericht.
„[EU-Recht] steht dem nicht entgegen, dass ein Unternehmer, der Waren oder Dienstleistungen online anbietet und eine Telefonnummer hat, die nach wenigen Klicks verfügbar ist, den Verbraucher ermuntert, andere, nicht im [EU-Verbraucherrecht] angeführte Kommunikationsmittel zu benutzen, wie einen Internet-Chat oder ein Rückrufsystem, damit der Verbraucher schnell mit ihm in Kontakt treten und effizient mit ihm kommunizieren kann, sofern die Informationen, die der Unternehmer nach der [Verbraucherrechtsrichtlinie] zur Verfügung stellen muss, insbesondere die genannte Telefonnummer, in klarer und verständlicher Weise zugänglich gemacht werden.....“
„Insoweit impliziert der Umstand, dass die Telefonnummer erst nach einer Reihe von Klicks verfügbar ist, als solcher nicht, dass die verwendete Art und Weise bei einer Situation …, die einen Unternehmer betrifft, der den Verkauf verschiedener Waren ausschließlich online über eine Internetseite betreibt, nicht klar und verständlich ist“, so das Gericht.
Es ist nun Sache des Bundesgerichtshofs, das Urteil des EuGH auf den Amazon-Fall anzuwenden. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände (vzbv) hatte argumentiert, dass die von Amazon angebotenen Kontaktmöglichkeiten für Verbraucher, zu denen auch eine Callback-Funktion gehört, nicht den Anforderungen des EU-Verbraucherrechts entsprächen. Amazon hat diese Behauptung bestritten.
E-Commerce-Experte Alexander Bayer von Pinsent Masons, der Anwaltskanzlei hinter Out-Law: „Dieses Urteil wird zu einem Umbruch der engen und zum Teil veralteten deutschen Regeln, die in einer Online-Welt nicht mehr zweckmäßig sind, führen. Verbraucher sind heutzutage einerseits an andere Kommunikationsformen als das Telefon gewöhnt, und andererseits sind Unternehmen wie Amazon durchaus in der Lage, andere Mittel für die Interaktion mit ihren Verbrauchern bereitzustellen. Dies muss nicht unbedingt eine menschliche Interaktion sein, sondern eventuell auch Tools wie Chatbots oder andere intelligente Software.“
„Solange die dem Verbraucher zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittel klar und leicht zugänglich sind und sie es den Verbrauchern ermöglichen, mit Unternehmen wie Amazon zu interagieren, sollte dies im Einklang mit der EU-Richtlinie stehen. Diese Entscheidung zeigt einmal mehr, dass die Telefonkommunikation in einer Online-Welt keine große Rolle mehr spielt“, so Bayer.