Out-Law News Lesedauer: 2 Min.
17 Dec 2020, 10:06 am
Die EU-Kommission hat am Dienstag ein lang erwartetes Gesetzespaket vorgestellt, das auch als „Plattform-Grundgesetz“ bezeichnet wird. Es besteht aus dem Digitale-Dienste-Gesetz und dem Digitale-Märkte-Gesetz. Beide Gesetze enthalten neue Vorschriften für digitale Dienste wie soziale Medien, Online-Marktplätze und andere Online-Plattformen, die in der Europäischen Union tätig sind. Sie sollen laut EU-Kommission die Verbraucher und ihre Grundrechte im Internet besser schützen und zu faireren und offeneren digitalen Märkten führen.
Das Digitale-Märkte-Gesetz beinhaltet neue Vorschriften, die verhindern sollen, dass Online-Plattformen, die zu sogenannten Gatekeepern im Binnenmarkt geworden sind oder voraussichtlich werden, unlautere Geschäftspraktiken anwenden.
Der Gesetzesvorschlag enthält Vorschriften, die unlautere Praktiken von Gatekeeper definieren und verbieten, und sieht einen Durchsetzungsmechanismus beruhend auf Marktuntersuchungen vor. Derselbe Mechanismus soll auch dafür sorgen, dass die in der Verordnung festgelegten Verpflichtungen stets auf dem neuesten Stand gehalten werden, um der Schnelllebigkeit der digitalen Welt gerecht zu werden.
„Das neue Gesetz wird für kleine und große Unternehmen gleichermaßen wichtig sein. Kleine Unternehmen könnten es als Chance sehen, die Position der großen Akteure herauszufordern oder endlich in den Markt einzutreten, während größere Akteure es als Risiko für eine weitere Prüfung durch die Wettbewerbsbehörde sehen könnten“, so Lena Lasseur, Expertin für Wettbewerbsrecht bei Pinsent Masons, der Kanzlei hinter Out-Law.
Der Gesetzesvorschlag sieht vor, dass Unternehmen als Gatekeeper eingestuft werden können, wenn sie in den letzten drei Geschäftsjahren im Europäischen Wirtschaftsraum einen Jahresumsatz von mindestens 6,5 Milliarden Euro erzielt haben oder sich ihre durchschnittliche Marktkapitalisierung oder ein entsprechender Marktwert im letzten Geschäftsjahr auf diesen Wert belief und das Unternehmen in mindestens drei Mitgliedstaaten einen zentralen Plattformdienst erbringt.
Ein zentraler Plattformdienst liegt vor, wenn der Dienst im Monat über 45 Millionen aktive Endnutzer in der EU hat und im letzten Geschäftsjahr über 10 000 aktive gewerbliche Nutzer mit Niederlassung in der EU hatte.
Die Unternehmen würden verpflichtet, selbst zu prüfen, ob sie die Kriterien für Gatekeeper erfüllen. Anschließend müssten sie der EU-Kommission die entsprechenden Informationen übermitteln, auf Basis derer die EU-Kommission prüfen kann, ob die Voraussetzungen erfüllt sind. Ist das der Fall, würde sie das Unternehmen als Gatekeeper einstufen.
Die EU-Kommission könnte Unternehmen aber auch unabhängig von diesen Kriterien in Folge einer Marktuntersuchung als Gatekeeper benennen.
Bemerkenswert findet Angelique Bret, Expertin für Wettbewerbsrecht bei Pinsent Masons, dass vorausgegangene Vorschläge für neue, weitreichende Marktuntersuchungsbefugnisse auf digitalen Märkten nun darauf beschränkt wurden, Gatekeeper und ihre Dienste zu identifizieren. Auch die Möglichkeit von Abhilfemaßnahmen soll auf Gatekeeper beschränkt werden.
Das neue Gesetz sieht eine Reihe von Geboten und Verboten für Gatekeeper vor: Unter anderem sollen sie dazu verpflichtet werden, gezielte Vorkehrungen zu treffen, damit Software Dritter ordnungsgemäß funktionieren und mit ihren eigenen Diensten zusammenwirken kann. Auch müssten Gatekeeper ihren gewerblichen Nutzern ermöglichen, für ihre Angebote zu werben und mit ihren Kunden Verträge außerhalb der Plattform des Gatekeepers abzuschließen. Das neue Gesetz würde zudem verbieten, dass bestimmte, auf Endgeräten vorinstallierte Apps durch den Nutzer nicht wieder deinstalliert werden können. Unternehmen hätten nach ihrer Einstufung als Gatekeeper sechs Monate Zeit, um diese und andere gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen.
Bei Verstößen sähe das neue Gesetz Bußgelder in Höhe von bis zu zehn Prozent des weltweiten Gesamtumsatzes eines Gatekeepers vor. „Die Bußgelder sind hoch, entsprechen aber dem üblichen Sanktionsregime für Verstöße gegen das europäische Wettbewerbsrecht“, so Lasseur.
Im Wiederholungsfall könnte das Unternehmen sogar durch die EU-Kommission zerschlagen werden, sofern sie zu dem Schluss kommt, dass es keine wirksame Alternative gibt, um sicherzustellen, dass die Vorschriften der EU eingehalten werden.
„Angesichts der dynamischen, schnelllebigen Natur der aktuellen Technologiemärkte wird es wichtig sein zu beurteilen, wie die EU-Kommission diese neuen Befugnisse in der Praxis anwenden wird“, so Paul Williams von Pinsent Masons. „Eine Einrichtung, die als Gatekeeper im Sinne des Gesetzes definiert ist, wird die Anwendung des Gesetzes auf ihr Geschäft sorgfältig prüfen müssen, und andere Einrichtungen in digitalen Märkten werden sich darüber im Klaren sein müssen, wie das Gesetz ihre Handelsbeziehungen mit Torwächtern beeinflussen wird.“
Im nächsten Schritt der Gesetzgebung werden das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten die Vorschläge der EU-Kommission erörtern. Experten zufolge wird der Abstimmungsprozess mehrere Jahre in Anspruch nehmen.