Der Social-Media-Dienst TikTok hat sich dazu bereit erklärt, in Zukunft Tantiemen an die National Music Publishers' Association zu zahlen. Die Urheberrechtsfrage ist somit jedoch noch nicht geklärt, so ein Experte.

TikTok ist Videoportal und Social-Media-Dienst in einem. Nun hat es einen Vertrag mit der National Music Publishers' Association (NMPA) unterzeichnet, einem US-amerikanischen Berufsverband für Musiker und Musikproduzenten. Diese neue Partnerschaft verpflichtet TikTok dazu, Tantiemen für die auf dem Portal zu hörenden Musiksequenzen zu zahlen, die den Urhebern der Werke zugutekommen sollen. Die Vereinbarung tritt rückwirkend zum 1. Mai 2020 in Kraft. Im Vorfeld hatten die Musikindustrie und die Verwertungsgesellschaften mit rechtlichen Schritten gedroht, falls TikTok sich nicht zu einer Einigung bereiterklären sollte.

Laut Statistiken wird die TikTok-App vor allem von Jugendlichen verwendet. Ihre Nutzer können 15-sekündige Videoclips erstellen und hochladen, die meisten zeigen Tänze oder Lippensynchronisationen,  begleitet von einer Tonspur. „Um genau diese Tonspur geht es in der Vereinbarung zwischen NMPA und dem App-Anbieter, denn meist laden Nutzer unlizenziert urheberrechtlich geschützte Musik hoch“, so Dr. Nils Rauer, Experte für Urheberrecht bei Pinsent Masons, der Kanzlei hinter Out-Law. „In der Musikindustrie sorgt das seit Jahren für Diskussionsstoff – einerseits verhilft die App neuen Musikstücken zur Bekanntheit, andererseits werfen ihr Musiker und Musikproduzenten vor, dass sie das Urheberrecht verletzt.“

Immer wieder entstehen Rechtsstreitigkeiten zwischen Rechteinhabern und sozialen Netzwerken. Das in Deutschland bekannteste Beispiel dürfte der jahrelange Rechtsstreit zwischen der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) und YouTube sein, der 2009 begann. Schlussendlich einigten sich die Parteien auf freiwillige Zahlungen von YouTube an die GEMA, um eine Vergütung der Rechteinhaber und Kreativen sicherzustellen.

Die Urheberrechtsfrage ist im Fall von TikTok allerdings noch komplizierter, so Dr. Rauer: „Interessant ist TikTok aus urheberrechtlicher Sicht vor allem deshalb, weil sich die typische Nutzung – anders als bei den meisten Social-Media-Diensten –  nicht darin erschöpft, dass ein Video oder Musikinhalte wiedergegeben wird. Vielmehr ist das Geschäftsmodell darauf angelegt, dass Nutzer Videos fortwährend nachstellen und in einen neuen Kontext setzen. Urheberrechtsfragen werden dadurch noch komplexer als auf anderen Plattformen, da beispielsweise urheberrechtliche Schranken, wie die der Parodie, der Karikatur oder des Zitats, eher greifen können.“

Die in der Praxis wohl drängendste Frage, ob die Plattform selber oder der hochladende Nutzer eine öffentliche Wiedergabe der geschützten Inhalte begeht und somit das Urheberrecht verletzt, wird durch die Lizenzvereinbarung zwischen TikTok und NMPA jedoch nicht abschließend beantwortet, so Dr. Rauer: Auch die Plattform YouTube zahlt die vereinbarten Tantiemen freiwillig an die GEMA. Hierin liegt gerade nicht die Anerkennung einer gesetzlichen Verpflichtung zu solchen Zahlungen. „Die Frage, die an dieser Stelle durchaus Parallelen aufweist, wird wohl in Kürze endgültig durch den Europäischen Gerichtshof in der Rechtssache YouTube geklärt werden. Der Generalanwalt hat in seinen bereits veröffentlichten Schlussanträgen den Richtern im Übrigen nahegelegt, den Fall zugunsten von Youtube zu entscheiden.“

Mit der EU-Urheberrechts-Richtlinie wurde die Frage danach, ob nun Nutzer oder Plattformen für Urheberrechtsverletzungen verantwortlich sind, 2019 für die EU gesetzgeberisch geregelt, so Dr. Rauer. Die Richtlinie stellt klar, dass Anbieter von Diensten zum Teilen von Online-Inhalten eine urheberrechtliche Nutzungshandlung begehen und daher tatsächlich für Urheberrechtsverletzungen in ihren Netzwerken verantwortlich sind. Die Regelung muss allerdings erst durch die EU-Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden, bevor sie für den einzelnen wirksam wird. Im Juni 2021 läuft die Frist dafür ab, das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat bereits mehrere Gesetzesentwürfe hierzu vorgelegt.

In seinen Nutzungsbedingungen schreibt TikTok, es sei nicht gestattet, TikTok zu verwenden, um  „Materialien, die Urheberrechte, Marken oder anderes geistiges Eigentum einer anderen Person verletzen oder verletzen könnten“ hochzuladen oder verfügbar zu machen.

„Zugleich räumen Nutzer TikTok umfangreiche Lizenzrechte für die weitere Nutzung der von ihnen hochgeladenen Inhalten ein“, so Dr. Rauer. „Das ist allerdings typisch und bei anderen sozialen Medien nicht anders.“

Das eigentliche Kernproblem bleibe damit aber unadressiert: „Die Nutzer sind grundsätzlich nur Rechteinhaber hinsichtlich ihrer eigenen kreativen Inhalte. Für fremde Rechte können sie keine Lizenzen vergeben. Stellt sich ihr eigenes Werk als bloße Bearbeitung dar oder wird ein anderes Werk einfach nur wiedergegeben, ist daher die Zustimmung des tatsächlichen Rechteinhabers notwendig.“

Gerade für TikTok, das maßgeblich auf Zweitverwendung fremder Inhalte durch Nutzer beruht, seien daher Lizenzvereinbarung von essentieller Bedeutung, um Rechtssicherheit für das Geschäftsmodell zu erlangen. „Hier bieten die neue EU-Urheberrechts-Richtlinie sowie erfreulicherweise auch die ersten Gesetzesentwürfe aus Deutschland eine Reihe von neuen Möglichkeiten, auch über klassische individuelle Lizenzvereinbarungen hinaus“, so Dr. Rauer. „Neben dem extensiven Einsatz von Schranken könnten sich insbesondere erweiterter kollektive Lizenzen anbieten. Diese sollen es den Verwertungsgesellschaften ermöglichen, auch die große Zahl der nicht durch sie repräsentierten Urheber in Lizenzvereinbarungen einzubeziehen und auf diese Weise noch umfassendere Lizenzen zu niedrigeren Transaktionskosten anbieten zu können. Insbesondere für soziale Netzwerke könnte sich durch dieses Lizenzierungsinstrument eine echte Chance auf einen Gewinn an Rechtssicherheit bieten.“

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