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18 May 2021, 2:41 pm
Projektvorhaben aus diesen Industriezweigen, die mittels neuer Technologien und Verfahren den CO2-Ausstoß an einem Industriestandort mindestens halbieren, sollen durch den Staat für die durch die Umstellung entstehenden Mehrkosten bezuschusst werden. Nach Abschluss einer auf diese Industriezweige beschränkten Pilotphase könnten auch noch weitere Sektoren einbezogen werden.
Das Bundesumweltministerium hat hierzu ein Eckpunktepapier veröffentlicht, auf dessen Grundlage ein entsprechendes Förderprogramm entwickelt werden soll. Hintergrund ist, dass sich die Markteinführung klimafreundlicher Produktionsprozesse ohne Klimaschutzverträge nach Einschätzung der Bundesregierung deutlich verzögern würde. Denn trotz steigender Kosten – beispielsweise durch den notwendigen Zukauf von Emissionszertifikaten – sei es für viele Industriezweige derzeit günstiger, mit alten, emissionsintensiven Verfahren zu produzieren und zusätzliche Kosten für die dabei entstehenden Emissionen in Kauf zu nehmen, als in eine klimafreundliche Umstellung ihrer Produktionsverfahren zu investieren.
Dies werde sich erst in einigen Jahren ändern, wenn der CO2-Preis weiter steigt und emissionsarme Technologien dadurch wettbewerbsfähiger werden. Bis dahin bedürfe es zusätzlicher Anreize, um die Industrie schon jetzt zum Umstieg auf emissionsarme Technologien zu bewegen und einen Investitionsstau sowie Carbon-Lock-In Effekte durch fehlgeleitete Investitionen zu verhindern.
Von einem Lock-In-Effekt spricht man vor allem dann, wenn der Wechsel zu neuen Technologien so kostspielig ist, dass ein Unternehmen an die alten Verfahren gebunden bleibt. Laut Bundesumweltministerium fällt hierbei besonders ins Gewicht, dass technische Anlagen, gerade in der Grundstoffindustrie, eine sehr lange Lebensdauer haben. „Anlagen, die heute neu errichtet werden, können teilweise über 50 Jahre in Betrieb bleiben. Ihr Carbon Footprint ist für diesen Zeitraum in vielen Fällen verfahrenstechnisch festgelegt“, so das Eckpunktepapier der Bundesregierung. Diese Aspekte sollen nun durch Klimaschutzverträge, sogenannten Contracts for Difference (CfD), berücksichtigt werden. CfDs bieten nach Einschätzung der Bundesregierung eine Möglichkeit, die Markteinführung klimafreundlicher Prozesse in den Grundstoffindustrien über eine Abfederung der Betriebskostendifferenzen zeitlich deutlich vorzuziehen.
„Bislang liegt ein Schwerpunkt der Förderung klimafreundlicher Produktionsverfahren in der Gewährung von Investitionszuschüssen. CfDs stellen im Hinblick auf die Förderlogik einen Perspektivwechsel dar, und zwar weg von einer Capex- hin zu einer Opex-Betrachtung, die auch variable Betriebskosten berücksichtigt“, so Dr. Sönke Gödeke, Experte für die Energiewirtschaft am Düsseldorfer Standort von Pinsent Masons, der Kanzlei hinter Out-Law.
Nach dem Eckpunktepapier ist für die CfDs eine Laufzeit von zehn Jahren angedacht. „Ob diese Laufzeit ausreicht, um der Industrie angesichts der langen Abschreibungsdauer ihrer technischen Anlagen die erforderliche Planungssicherheit zu bieten, bleibt abzuwarten. Ich erwarte vielmehr, dass über die konkreten Laufzeiten für CfDs auch vor dem Hintergrund der erforderlichen Bereitstellung von haushälterischen Mitteln noch intensive Diskussionen geführt werden“, so Dr. Valerian von Richthofen, Energierechtsexperte bei Pinsent Masons.
In der Pilotphase sollen zunächst Projektvorhaben der Kalk-, Zement-, Stahl- und Ammoniakindustrie in Deutschland gefördert werden, die durch den Einsatz innovativer und technologisch ausgereifter Verfahren zu einer Minderung des CO2-Ausstoßes um mindestens 50 Prozent führen und perspektivisch dazu beitragen, dass Deutschland bis zum Jahr 2050 treibhausgasneutral wird. Auch Brückentechnologien – wie der teilweise Einsatz von Erdgas und grünem Wasserstoff in Direktreduktions- oder Ammoniakanlagen – sollen grundsätzlichen von den Möglichkeiten, die CfDs bieten, profitieren.
Experten rechnen damit, dass das Konzept noch vor der Bundestagswahl im September 2021 beschlossen wird. Das Pilotprogramm Klimaschutzverträge nach dem CfD-Ansatz muss allerdings noch beihilferechtlich durch die EU-Kommission geprüft werden. Derzeit wird geklärt, ob bereits in diesem Jahr ein informelles Interessenbekundungsverfahren durchgeführt werden kann, noch bevor die EU-Kommission die Beihilfen genehmigt.