Das neue eWertpapier-Gesetz führt keine elektronischen Aktien ein und legt daher nur den Grundstein für die Digitalisierung des Wertpapierrechts.

Kürzlich hat der Bundestag das Gesetz zur Einführung von elektronischen Wertpapieren (eWpG) beschlossen. Es muss noch den Bundesrat passieren und wird voraussichtlich schon im Juni dieses Jahres in Kraft treten. Das eWpG führt elektronische Wertpapiere ein, indem die geltende Rechtsordnung für Wertpapiere ohne Urkunde geöffnet wird.

Die Bundesregierung hatte in ihrer Blockchain-Strategie 2019 angekündigt, das deutsche Recht für elektronische Wertpapiere öffnen zu wollen. Der Gesetzgeber hat seit langem das Bedürfnis der Praxis erkannt, eine Unternehmensfinanzierung auch durch Wertpapiere zu ermöglichen, die elektronisch und gegebenenfalls mittels der Blockchain-Technologie ausgegeben werden. 

Mit dem eWpG wird ein zentraler Baustein der Blockchain-Strategie der Bundesregierung in Gesetzesform gegossen, indem das Gesetz Regeln zur Nutzung der Blockchain-Technologie für Finanzinstrumente einführt. Durch das eWpG soll das deutsche Recht für innovative Technologien geöffnet werden. Zugleich sollen die Rechtssicherheit, Marktintegrität und der Anlegerschutz sowie Funktion und Transparenz des Finanzmarkts gewahrt werden. Zudem soll Deutschland auch als Finanzstandort mit anderen Ländern mithalten, die bereits ein digitales Wertpapiersystem eingeführt haben.

Erst zu einem späteren Zeitpunkt soll auch der Rechtsrahmen für elektronische Aktien und elektronische Investmentfondsanteile geschaffen werden.

Doch ist es dem Gesetzgeber damit tatsächlich gelungen, das deutsche Wertpapierrecht und das dazugehörige Aufsichtsrecht grundlegend zu modernisieren? Wohl eher nicht, denn die darin enthaltenen Regeln gelten zunächst nur für auf den Inhaber lautende Schuldverschreibungen. Erst zu einem späteren Zeitpunkt sollen sie auch auf elektronische Aktien und elektronische Investmentfondsanteile ausgedehnt werden.

Registereintrag statt Urkunde

Nach derzeitiger Rechtslage gilt: Finanzinstrumente, die zivilrechtlich als Wertpapiere gelten, müssen in einer Urkunde verbrieft werden. Nur dann gilt ein Wertpapier als Sache im Sinne von Paragraf 90 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Um als Eigentum zu gelten und auch als solche übertragbar zu sein, müssen allerdings auch elektronische Wertpapiere unter den Sachbegriff fallen. Damit die Verkehrsfähigkeit von Wertpapieren auch ohne Papier-Urkunde gewährleistet wird und der rechtssichere Erwerb möglich bleibt, muss ein Ersatz für die Papier-Urkunde her. Das neue Gesetz sieht hierfür die Eintragung des Wertpapiers in ein Register vor.

Nach dem neuen Gesetz werden elektronische Wertpapiere dadurch ausgegeben, dass der Emittent sie in ein elektronisches Wertpapierregister eintragen lässt: Elektronische Wertpapiere entstehen also mit ihrer Eintragung im betreffenden elektronischen Wertpapierregister. Der Registereintrag ersetzt somit die Papierurkunde. Mit der Eintragung ist das elektronische Wertpapier dem urkundlich verbrieften Wertpapier gleichgestellt. 

Es werden zwei Arten von elektronischen Wertpapierregistern geschaffen: eines für Zentralregisterwertpapiere und eines für Blockchain-basierte Kryptowertpapiere. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wird die Emission elektronischer Wertpapiere und das dezentrale Register, in welches sie eingetragen werden, überwachen.

Joachimsthaler Markus

Markus Joachimsthaler, LL.M.

Rechtsanwalt, Senior Associate

Die Vermutung liegt nahe, es könne sich bei dem neuen eWpG gar um einen Schnellschuss handeln, dessen es möglicherweise nicht bedurft hätte.  

In Paragraf 2 Absatz 2 eWpG stellt der Gesetzgeber klar, dass ein elektronisches Wertpapier dieselbe Rechtswirkung entfaltet wie ein Wertpapier, das mittels einer Urkunde ausgegeben wurde. Ob so tatsächlich Rechtssicherheit geschaffen wird, darf zumindest bezweifelt werden. In der Gesetzesbegründung wirft der Gesetzgeber selbst die Frage auf, ob Wertpapiere, etwa nach dem Vorbild des schweizerischen Bucheffektengesetzes, als neues Recht außerhalb des Sachrechts klassifiziert werden sollten. Dabei verweist der Gesetzgeber darauf, dass die Entscheidung hierüber „im Rahmen einer umfassenden Reform des deutschen Wertpapier- und Depotrechts getroffen werden“ sollte.  Schließlich lässt die Gesetzesbegründung sogar offen, ob das nun im eWpG geregelte Konzept eine „Brückenlösung“ sei. All das lässt starke Zweifel daran aufkommen, ob der Gesetzgeber die zu bewältigenden Rechtsfragen konzeptionell zu Ende gedacht hat. Die Vermutung liegt nahe, es könne sich bei dem neuen eWpG gar um einen Schnellschuss handeln, dessen es möglicherweise nicht bedurft hätte. 

Vorläufig keine eAktien

Der Anwendungsbereich des eWpG erstreckt sich lediglich auf Inhaberschuldverschreibungen. Damit sind neben klassischen Schuldverschreibungen in Form von Anleihen auch Wandel- und Optionsanleihen sowie Genussscheine und Zertifikate erfasst.

Angesichts des vielversprechenden Titels des Gesetzes enttäuscht der enge Anwendungsbereich zunächst. Diese Einschränkung hat der Gesetzgeber allerdings bewusst vorgenommen. Er sieht einerseits für diese Finanzierungsform ein großes praktisches Bedürfnis des Finanzmarktes. Andererseits wäre eine deutlich umfangreichere und komplexere Reform nötig gewesen, um den Anwendungsbereich auch auf Aktien auszudehnen. Der Gesetzgeber stellt in Aussicht, dass dies zu einem späteren Zeitpunkt in einem gesonderten Gesetzgebungsverfahren nachgeholt werden soll.

Er verschiebt die Einführung von elektronischen Aktien mit der Begründung, dass sie sich gravierend auf das Gesellschaftsrecht auswirken würde. Sie hätte unter anderem Einfluss auf die Gründung der Gesellschaft, die Ausgabe von Aktien, die Übertragung der Aktien auf den internationalen Kapitalmärkten, die Einberufung der Hauptversammlung, Kapitalmaßnahmen sowie den Informationsfluss von der Gesellschaft zum Aktionär. 

Diese Argumentation ist jedoch nicht überzeugend, käme es doch insbesondere bei der in der Praxis am häufigsten vorkommenden Girosammelverwahrung zu keinen wesentlichen Änderungen für die Aktionäre.

Auch Wertpapier-Token fallen weiterhin nicht unter den Wertpapierbegriff. Die Transaktionspraxis wird sich daher auf absehbare Zukunft bei der Emission von tokenbasierten Schuldverschreibungen und Genussrechten – wie bisher – konzeptionell mit dem Begriff des Wertpapiers „sui generis“ – also eigener Kategorie – behelfen müssen. Dieses Vorgehen wurde durch die Verwaltungspraxis der BaFin bereits anerkannt.

Mit dem neuen Gesetz öffnet der deutsche Gesetzgeber das geltende Recht sehr zaghaft für elektronische Wertpapiere und geht damit lediglich einen ersten Schritt in Richtung Dematerialisierung des Wertpapierrechts. Ein „großer Wurf“ der Innovation ist das neue Gesetz wahrlich nicht. Ein stimmiges Gesamtkonzept, das auch e-Aktien und Wertpapier-Token einschließt, wäre hier sehr zu begrüßen gewesen.

Neue Regeln für Wertpapierinformationsblätter

Von besonderer praktischer Bedeutung dürfte die Änderung des Wertpapierprospektgesetzes (WpPG) sein, die nicht nur für elektronische Wertpapiere gemäß eWpG, sondern auch für digitale und nicht verbriefte Wertpapiere gilt – also auch für Wertpapier-Token.

Zum Schutz der Anleger wird der Katalog der Mindestangaben in einem Wertpapier-Informationsblatt (WIB) sowohl bei Emissionen von elektronischen Wertpapieren im Sinne des eWpG als auch bei Emissionen von Wertpapier-Token erweitert: So darf ein WIB künftig vier DIN-A4-Seiten umfassen, anstatt der sonst vorgegebenen drei Seiten. Des Weiteren müssen in einem WIB nun auch Angaben zur technischen Ausgestaltung des Wertpapiers, zu den dem Wertpapier zugrundeliegenden Technologien sowie zur Übertragbarkeit und Handelbarkeit des Wertpapiers an den Finanzmärkten enthalten sein, da nach Ansicht des Gesetzgebers diese Angaben für das Verständnis eines digitalen und nicht verbrieften Wertpapiers und damit für die Anlageentscheidung eines Anlegers wesentlich sind. Sofern ein elektronisches Wertpapier im Sinne des eWpG emittiert wird, ist im WIB eine Angabe zu der registerführenden Stelle und die Angabe, wo und auf welche Weise der Anleger in das Register Einsicht nehmen kann, zu ergänzen. Auch diese Regelungen sollen dem Anlegerschutz, einer höheren Transparenz, der Marktintegrität und dem Funktionsschutz der Finanzmärkte dienen.

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